Montag, 18. April 2011

Kaikoura

Mit dem Schwaben Patrick habe ich mich verabredet, gemeinsam nach Kaikoura zu fahren. Der Statehighway No. 1 Richtung Sueden laeuft schnurgerade an der Ostkueste entlang. Auf der linken Seite entdecken wir eine Robbenkolonie, auf der rechten Seite die schneebedeckten Gipfel der Kaikoura Ranges. 

Patrick am Robbenstrand


Kaikoura Ranges

Nachdem wir eine Nacht in der "Dolphin Lodge" uebernachtet haben, gehen Patrick und ich auf Meerestier-Erkundungstour. Auf dem Kaikoura Peninsula Walkway geht's zuerst ueber eine Schafwiese, dann ein gutes Stueck an der Strasse entlang und schliesslich zu einer Bucht mit Robbenkolonie. Ein dicker Schnurrbarttraeger hat sich auf einem Stein direkt am Ufer niedergelassen. Endlich koennen wir uns mal eine Robbe von Nahem anschauen. Mit seinen kurzen Beinchen sieht Meister Flosse ein wenig unbeholfen und benachteiligt aus. An Land kommen die ausgezeichneten Schwimmer nicht besonders schnell voran. Unser Anschauungsexemplar will auch gar nicht schnell. Genuesslich waelzt es sich von einer Seite auf die andere, kratzt sich mit der Hinterflosse am Kopf und blinzelt verschlafen in die Sonne. Wir naehern uns vorsichtig bis auf Armeslaenge, was das Tier geduldig ertraegt. Schon Wahnsinn, dass wir den Meeressaeuger hier in freier Laufbahn beobachten koennen, ohne Zaun, ohne eisbekleckerte Kinder und ohne Zoowaerter. Nach einer halben Stunde Posieren vor der Kamera hat unser Modell jedoch genug und faucht einmal kurz und heftig. Okay okay, wir lassen dich in Ruhe, du Faulpelz!







Patrick und ich laufen hoch oben auf den Klippen entlang, die direkt ans Wasser ranreichen. So nah wie hier in Kaikoura kommen die Berge dem Meer selten. Wir geniessen den Ausblick, das gute Wetter und spaeter - zur Belohnung fuer den "anstrengenden" Spaziergang - einen grossen Milchshake. Ich spiele mit dem Gedanken, eine Bootstour zum Delphinschwimmen zu buchen, entscheide mich dann aber dagegen. 165$ sind schliesslich kein Pappenstil. Ausserdem habe ich ja bereits mehrfach Delphine gesehen und heute das Vergnuegen gehabt, einem - zugegebenermassen etwas weniger aktiven, dennoch aber sehr sympathischen - anderen Meeressaeuger aus naechster Naehe guten Tag zu sagen.










"Gute Nacht" sage ich heute ungewoehnlich spaet. Zuerst lassen Patrick und ich uns im Spa-Pool "dizzy" (schwindelig) blubbern, dann unterhalte ich mich mit meinem schottischen Zimmergenossen ueber Buecher- und Schokoladenlust. Im Radio laeuft der "Rhythm of Love" von den Plain White Ts, mein neues Lieblingslied. Obwohl der Schotte und ich uns prima verstehen, werde ich mich am naechsten Tag bereits wieder von ihm verabschieden muessen. Wie sooft haben wir unterschiedliche Reiserouten: Er will nach Norden, Patrick und ich in den Sueden. Wie schade. Na dann: "We may only have tonight"; wo ist die Schokolade?

Samstag, 16. April 2011

Queen Charlotte Track

Als ich um sechs Uhr morgens in die Kueche wanke, um mir ein Lunchpaket zuzubereiten, ist die graue Hostelkatze bereits wach und streicht mir sanft um die Beine. Ich setze mich mit einer Schale Muesli an den Fruehstueckstisch und habe prompt einen samtweichen Schossgast. Die uebrig gebliebene Milch "vergesse" ich natuerlich "aus Versehen" - und erfreue mich an einem kehligwarmen Dankeschnurren.
Mit dem Auto fahre ich ein Stueck bergauf zum Torea Saddle, dem Ausgangspunkt fuer meine heutige Tagestour durch die Malborough Sounds. Auf der Infotafel sind fuer die knapp 25km der Strecke neun Stunden angegeben, in meiner Broschuere sind es acht, die Dame von der Service-Hotline des Wassertaxiunternehmens hat behauptet, sie sei diesen Teil des Queen Charlotte Tracks ohne Pause in fuenf Stunden gelaufen. Mmh, na mal sehen, wie ich mich schlage. Offensichtlich bin ich heute gut in Form, denn den ersten Streckenabschnitt, der mich stetig bergauf fuehrt, lege ich in einem Drittel der eingerechneten Zeit zurueck. 

hoch motiviert

schraeg angelehnt

mein Stand-Punkt


Leider ist der Blick vom Bergkamm auf die Malborough Fjordlandschaft verhangen. Trotz der Vorhersage, es solle heute "mainly fine" werden, ist die Wolkendecke dick und grau wie das Fell der Perserkatze. Dennoch geniesse ich nach dem Aufstieg den entspannteren Gang ueber ebenes Gelaende. Der Track fuehrt zu grossen Teilen ueber Privatgelaende, ist aber ebenso wie die vom DOC verwalteten Streckenabschnitte sehr gut praepariert und beschildert. Zuegigen Schrittes marschiere ich vorwaerts, muss zwischendurch jedoch immer wieder stehen bleiben, um ein begeistertes "Wow!" auszupusten und den Blick ueber die phenomenalen Sounds schweifen zu lassen. Die Musik aus meinem MP3-Player erweist sich als guter Schrittmacher, sodass ich nach knapp vier Stunden bereits zwei Drittel des Weges hinter mich gebracht habe und mir endlich eine Pause goenne. Bis hierhin sind mir gerade mal vier Mountainbiker und drei schwatzende Wanderinnen entgegengekommen.


und hops!




An dem Unterstand mit den Plumpsklos treffe ich auf weitere Reisegrueppchen, die sich alle erstaunt darueber zeigen, dass ich schon so viel Strecke gemacht habe. Zudem scheine ich die Einzige zu sein, die Richtung Norden laeuft, der Hauptverkehr bewegt sich entgegengesetzt. Ausser dass ich ein wenig unter Zeitdruck bin, weil die Wassertaxis auf meiner Route nicht allzu haeufig (und nur bis 15 Uhr) verkehren, faellt mir kein Grund ein, warum die eine Variante besser sein sollte als die andere. Ich mache eine ganze Stunde Mittagspause, verscheuche einen frech-dreisten Weka (wie der Kiwi ein flugunfaehiger Vogel), der mir mein Brot stibitzen will, und mache mich dann wieder auf den Weg.





Dank der sehr effektiven Lauftechnik, die ich von der Amerikanerin Kimberly gelernt habe, kann ich bergauf den groessten meiner Muskeln die meiste Arbeit leisten lassen und so ist selbst das nun folgende steilste Stueck der Strecke "no major problem" - ausser dass ich natuerlich wie ein Brauereipferd im Hochsommer schwitze. Trotz permanenter Wasserzufuhr spuere ich eine Kopfschmerzattacke in mir aufwallen und gehe es ein wenig ruhiger an. Nach einiger Zeit komme ich zum "Eatwells Lookout" Abzweiger. Die 30 Minuten extra werden wohl noch drin sein. So wie es im Leben nix umsonst gibt, gibt es eine gute Aussicht auch nicht ohne Schweiss und Traenen; ich muss eine quasi senkrechte Wand hinaufklettern und verfluche mich und meinen Ehrgeiz. Dennoch: Der Ausblick ist gigantisch. 





Kurze Zeit spaeter treffe ich auf drei Argentinier, die behaupten, bis zu meinem Tagesziel, dem Punga Cove Resort, seien es gut und gerne drei Stunden, eher mehr. Aeh, ich hatte so mit maximal anderthalb gerechnet.... Mehr ist auch echt nicht drin, weil ich dann das letzte Wassertaxi erwischen muss. Etwas irritiert und inzwischen schon ziemlich erschoepft stolpere ich weiter. Endlich kommt die Sonne raus, was das Laufen nicht gerade einfacher macht. Die Schuhe druecken am kleinen Zeh. 
Dann, nach einer Stunde erreiche ich mein Ziel. Wofuer die Argentinier so lange gebraucht haben, ist mir unbegreiflich. Anyway, ich bin froh, fuer heute fertig zu sein. Inklusive Mittagspause und Sidetrack habe ich sieben Stunden gebraucht; stolz klopfe ich mir auf die Schulter. Das Wassertaxi sammelt mich mit ein paar Minuten Verspaetung ein und bringt mich zurueck zu meinem Ausgangspunkt. Da der Himmel gluecklicherweise aufgerissen ist, bekomme ich somit zur "Belohnung" und zum Abschluss eines anstrengend-schoenen Tages eine nette Bootsfahrt geboten.








Montag, 11. April 2011

Weinlese in Blenheim

Am Donnerstag erreiche ich Blenheim, DAS Weinanbaugebiet Neuseelands. Der erste Einruck der Region ist schoen (im Sinne von edel, gediegen, romantisch); der erste Eindruck vom Swampy's Hostel, in das mich Maria, meine Ex-Kollegin aus Taupo, gelotst hat, ist alles andere als als schoen (im Sinne von sauber, gemuetlich, anheimelnd). Jeder Backpacker bekommt hier gegen einen Pfand von 20$ eine Kiste mit seinem eigenen Geschirr und Besteck (von jedem eins) - wie im Gefaengnis. Mein Zimmer ist dunkel, die Matratze mehr als durchgelegen, das Badezimmer dreckig und die Kuechenausstattung eine Katastrophe. Am liebsten wuerde ich auf dem Fuss umdrehen. Da ich Maria jedoch versprochen habe, wenigstens eine Nacht zu bleiben, und Rami, der Officemanager, mir sofort einen Job fuer den morgigen Tag verschafft, beisse ich die Zaehne zusammen und zahle die unverschaemten 26,50$. Und das fuer so eine Absteige, nicht zu fassen. 
Obwohl ich gegen zehn Uhr ziemlich muede bin, ist an Schlaf nicht zu denken. Die Franzoesinnen starten gerade zu einer groesseren Backaktion in der Kueche direkt neben unserem Zimmer. Durch die duennen Papierwaende kann ich jedes Wort hoeren. Na, das kann ja heiter werden!

Als um viertel vor sechs mein Wecker klingelt, bin ich bereits wach. Alle meine Zimmergenossinnen sind schon auf den Beinen. Hier in Blenheim scheint so ziemlich jeder Backpacker irgendeinen Job zu haben, der sich um die Weinproduktion dreht. So wie ich. Draussen ist es noch stockfinster. Ich schmiere mir Tupperbrote und packe den Englaender Phillip und die Daenin Bodil in mein Auto, um zu unserem heutigen Arbeitsplatz zu fahren: ein Weinfeld (nee, kein Berg, flach wie Flunder) mitten in der Malborough-Region. Hier warten bereits jede Menge andere Backpacker auf die ersten Arbeitsanweisungen. Der Besitzer macht klar, wie der Hase laeuft: "If you don't like me, you can go. If we don't like you, you can go as well." Oha. Einen Arbeitsvertrag gibt's nicht, lohnt sich nicht fuer einen Tag, sagt er. Auf einem Wisch sollen wir unsere Steuernummer und Kontodaten angeben. Dann geht's los. Supervisorin Shelly zeigt uns, welche Trauben abgeschnitten werden sollen. Die guten bleiben am Stock, die vergammelten werden auf den Boden fallen gelassen. "Dropping" nennt man das - die Vorarbeit zur "Harvest", zur eigentlichen Ernte. Jeder bekommt eine eigene Reihe zugewiesen. Die ersten Meter lege ich in gebueckter Haltung, unter den Blaettern suchend zurueck. "So dauert das viel zu lange", macht Schelly klar. Nicht stehenbleiben, sondern mit der linken Hand sondierend an der Blaetterwand entlangstreifen, mit der rechten, gartenbescherten Hand abschneiden. Auf der einen Seite hin, auf der anderen zurueck. Wie beim Shoppen: alles angrabbeln und fluechtig begutachten; wenn was runterfaellt, liegen lassen. Zwar werde ich mit der Zeit schneller, gehoere aber dennoch zu den Langsameren. Als ich kurz hochschaue, sehe ich einen meiner Mitstreiter schon in der Mitte seiner zweiten Reihe. Na, das kann ja keine gruendliche Arbeit sein. Ich fuehle mich unangenehm an den 800 Meter Lauf bei den Bundesjugendspielen erinnert. Da war ich auch immer unter den Letzten. Immerhin haben wir zwei bezahlte 15-minuetige "Raucherpausen" und eine halbstuendige unbezahlte Mittagspause. Ich schaffe vier Reihen an diesem Tag; die schnellsten haben sieben Mal ihren Namen auf die Liste gesetzt. Streber! Zum Glueck werden wir "per hour" bezahlt. Doch selbst dabei wird man bestimmt nicht reich: 14$ minus Steuern sind 12,25$ netto. Naja, wenigstens deckt das die ueblichen Ausgaben.
Nach fuenfeinhalb Stunden sind alle Reihen "sauber" und wir werden aus dem Dienst entlassen. Ich nutze den Nachmittag, um mir zwei andere Hostels anzuschauen und entschliesse mich letztendlich dafuer, am naechsten Tag ins "Grapevine" umzuziehen. 

so eine Reihe kann ganz schoen lang sein!

Malborough-Region

Reihennummer

Mit meinen beiden Mitstreitern vom Vortag und Hostelmanager Rami fahre ich am naechsten Morgen zum vereinbarten Treffpunkt fuer unseren heutigen Job. Auf dem Countdown-Parkplatz sind wir um zehn vor sieben die ersten. Nach und nach rollen vollbemannte Wagen und Vans an. Unser "Contractor" Reddy, ein zwielichtig aussehender Typ mit tief ins Gesicht gezogener Kaeppi und verschlissener Kapuzenjacke, trudelt als letzter ein. Im Autokorso gehts 30km ueber Landstrasse bis zum Weinanbaugebiet, das etwa fuenf Mal so gross wie das gestrige ist.
Heute wird geerntet. Dieses Mal bekommen wir keine Leihhandschuhe, dafuer Leiharbeiter aus Indien und von der Insel Tonga an die Hand. Reddy und die jeweiligen Gruppensupervisor machen ordentlich Druck. "Come on guys, hurry up, hurry up!", hoert man alle paar Minuten jemanden bruellen. Die Stimmung ist angespannt, alles wirkt sehr lohnarbeitermaessig. Wir sollen nicht nur schnell, sondern auch praezise arbeiten. In den Kisten, die auf dem Boden stehen, sollen nur die guten Reben landen, keine verschrumpelten oder fauligen Freuchte, keine Aeste, kein einziges Blatt. Und bloss nicht ueberfuellen! Mein "Pflueckpartner" ist Phil, der sich zum Glueck nicht von der Antreibermasche stressen laesst. Selbstbewusst traegt er sein 20er-Jahre Schuljungendress und die stylische Foenwelle unter der "beanie", der Wollmuetze. Um diese Tageszeit ist es noch so kalt, dass ich sogar meine guten Handschuhe opfere, um die verkrampften Finger beweglich zu kriegen. Zwei Stunden spaeter kommt die Sonne raus und macht selbst die Fliesjacke ueberfluessig. Irgendwann werde ich ziemlich muede und schneide mir in den Finger. Reddy hat zumindest ein Pflaster parat. Er teilt mir mit, dass auch er nicht gross mit Vetraegen rummacht. Wir sollen ein Formular ausfuellen, Pass und Arbeitsvisum kopieren, "and that's it - now worries!" Nach sechs Stunden ist heute Schluss; ich habe nichts dagegen, die Arbeit hat mich ganz schoen gestresst.


Reddy gibt Anweisungen

Phil ist kalt

mir auch - ist ja auch noch ziemlich frueh!

die Sonne kommt raus!

Die Steine speichern die Hitze und geben sie an die Pflanzen ab


Mittags-/Entspannungspause: Phil(lip), Bo(dil) und Rami

Ich bringe Bo, Phil und Rami zum Hostel zurueck und spreche das Thema Fahrtgeld an. Waehrend sich Phil sofort bereit erklaert, mir eine Benzinpauschale zu zahlen, lassen sich Bo und Rami sehr bitten. Rami ist wohl beleidigt, dass ich das Hostel wechseln will. Aeh, wo ist da jetzt der Zusammenhang? Ich rechne vor, was wir verfahren haben, gebe es dann aber dran, als immer noch keine Reaktion kommt.
Im neuen Hostel fuehle ich mich vom ersten Moment an wohl. Alles ist sauber, gut organisiert, nett und gemuetlich. Man kann seine Waesche umsonst waschen und Kajaks ausleihen. Geschirr ist fuer alle da. Mit meinem Zimmergenossen Patrick aus dem Schwabenland verstehe ich mich auf Anhieb. Gemeinsam paddeln wir den Fluss runter und kochen im Anschluss Abendessen. Dabei lernen wir die deutschen Austauschstudenten Tim und Kristina kennen, die fuer einen Urlaub von der Masterarbeit aus Australien ruebergehoppt sind. Mit Wein aus der Box und Geschichten aus dem Backpackeralltag wird es ein sehr lustiger Abend. 


Dieser Wein kann Spuren von Eiern, Milch oder Fischprodukten enthalten. Wie bitte?


Dank des "Daylight-Savings", der neuseelaendischen Zeitumstellung, ist es um sieben Uhr, als ich Phil und Bo im Hostel abhole, bereits hell. Heute sind wir nur zu dritt. Wieder arbeiten wir fuer Reddy bzw. Supervisorin Casey. Der Weinberg ist heute tatsaechlich mal einer. Die Trauben haengen sehr viel tiefer, das heisst buecken! Mein Pflueckpartner ist Bod, ein 17-jaehriger Jugendstraftaeter, wie ich im Laufe des Tages herausfinde. Wegen Autodiebstahls hat er einen Monat eingesessen und - wie er behauptet - seine Lektion gelernt. Bod arbeitet rasend schnell, was mich ganz gut antreibt. Zum Glueck traegt er ohne zu Maulen jede der vollen Kisten und schneidet sicher doppelt so viele Trauben wie ich. 

An den naechsten Tagen bin ich auf mich allein gestellt. Reddy will nur noch mich beschaeftigen, die anderen sind ihm zu lahm. Entweder ist Ernte, Auslese oder "droppen" guter Fruechte angesagt, wenn der Stock zu viele Fruechte traegt und der Weinproduzent daher eine Strafe zahlen muesste. Was fuer eine Verschwendnung! Ohne meinen Ruhepol Phil lasse ich mich ganz schoen hetzen, vor allem, weil die Tonganer immer schneller sind als ich. 
Wenn es regnet, ist Zwangspause angesagt, da die Trauben die Feuchtigkeit aufnehmen und dann der Zuckergehalt faellt. An meinem freien Tag gehe ich schoppen (alle meine Hosen sind voellig durchgelaufen) und schwinge mich trotz Nieselwetter auf zum Wither Hills Farm Park. Diese Huegel habe ich bereits von weitem bewundert und will mir die Geschichte mal aus der Naehe anschauen. Auf dem Hinweg geht es stetig bergauf, schliesslich will ich zum Vernon Lookout auf gut 400 Metern. Trotz schwerer Wolkendecke ist der Ausblick phantastisch. Die sanfte Huegellandschaft erstreckt sich in alle vier Himmelsrichtungen und soweit das Auge reicht. Ueber mir kreist ein Falke mit gewaltiger Fluegelspanne. Ich breite die Arme aus, renne den Berg runter und versuche, ihm Gesellschaft zu leisten. Auch wenn ich nur eine Schrittlaenge weit abheben kann, habe ich das Gefuehl, als wuerde es klappen. Auf den letzten Metern bergab fallen dann tatsaechlich die Regentropfen, die sich so lange schon angekuendigt haben. 







 

An meinem letzten Arbeitstag gibt es eine positive Abwechselung. Nachdem ich am Vormittag gedroppt habe, darf ich am Nachmittag weg von den Trauben und ran ans Fliessband. Wir sollen Blueten von ihrem Stengel befreien, auseinanderrupfen und auf das "conveyor belt" werfen. Ein paar Meter weiter stehen vier Leute mit winzigen Pinzetten und picken die roten, fadenartigen Bluetenteile vom Band. Casey tuetet das Sammelgut ein und beschriftet die Plastikbeutel. Ich schiele von meinem Arbeitsplatz mit der kleinen, auf dem Tisch fixierten Klinge hoch und versuche, das Ettikett zu entziffern. Aha, Safran also, wie spannend! Den fliederfarbenen Blueten mit dem gelben Stempel und den dunkelroten Faeden sieht man wirklich nicht an, wie wertvoll sie sind. Die 50g Tueten kosten beim Lebensmittelhaendler jedoch ab 150$ aufwaerts. 
Waehrend wir das kostbare Gut eintraechtig auseinanderpfluecken, laeuft im Hintergrund Musik und ich kann sogar zwischenzeitlich mal auf einem Hocker sitzen. Welch Wohltat! Kein Stress, kein Zeitdruck, einfach auf Autopilot schalten. 
Auf dem Rueckweg erzaehlen mir die Tonganer, wie sehr sie mich vermissen werden. Ach ja? Eine Unterhaltung war zwar aufgrund der Sprachbarrieren kaum moeglich, aber fuer anzuegliche Witze hat die Sympathie offenbar gereicht. Auch Reddy wird ganz wehmuetig und drueckt mich zum Abschied an sich. Ich sei jederzeit willkommen, sagt er. Wenn es ab Mai losgeht, die Pflanzen zurueckzuschneiden, koennte ich jeden Tag acht Stunden arbeiten. Ach, nee, danke, die sieben Tage haben mir - und meinem Ruecken - gereicht!

Bevor ich Blenheim am naechsten Tag verlasse, will ich das Produkt meiner Arbeit natuerlich noch gebuehrend probieren. Mit dem Hollaender Nick fahre ich zur Cloudy Bay-, Framingham- und Highfield-Weinerei, in denen wir uns jeweils von trocken bis honigsuess durchsueffeln. Ich finde heraus, dass ich ein Fan von Rieslingen bin (sehr lieblich) und auf Dessertweine (na klar, zueckrig) stehe. Zum Wein gibt es entweder Kraecker, Trauben oder eine schoene Aussicht ueber die Malborough-Region. Ein hoechst kultivierter Spass!