Samstag, 25. Juni 2011

Abschiedslauf auf dem Routeburn-Track

Bevor ich Kinloch verlasse, will ich - auf den letzten Druecker - unbedingt noch ein Stueck auf dem bekannten Routeburn-Track laufen, wegen dem ich vorangig hierher gekommen bin. Ueberraschenderweise will mich die sonst nicht so wanderlustige Debbie begleiten. Wie schoen, ich freue mich ueber die Gesellschaft - und ueber die Leidensgenossin, die mit mir um sieben Uhr aufsteht. Die Scheinwerfer meines Autos arbeiten sich durch den dicken Morgennebel bis zum Ausgangspunkt des Tracks. Auf dem Parkplatz stehen drei weitere Autos - richtig was los hier!
Direkt zu Beginn geht es ueber eine schwingende Seilbruecke, vorbei an grossen Moosflaechen und durch ausgetrocknete Flussbetten. Nach dem ersten steileren Aufstief muss sich Debbie hinknien, um eine neue Schleife in ihre losen Schnuersenkel zu binden. Ein kleiner Piepmatz, rund wie ein Tischtennisball, beobachtet sie neugierig aus naechster Naehe. "Debbie, don't move, there's a bird", fluestere ich aufgeregt. Natuerlich ist Debbie so fasziniert von ihrer Na(h)turbekanntschaft, dass unser kleiner Freund Lampenfieber bekommt und hinter dem Vorhang aus herunterhaengenden Farnen verschwindet. Immer noch ein wenig aufgekratzt sinnieren Debbie und ich ueber ein passendes Sprichwort ("Take your time to tie your shoe and the wildlife will come to you") und biegen kichernd um die naechste Ecke, wo sich das naechste Highlight verbirgt: ein kaskadenartiger Wasserfall, der die umliegenden Felsen weich und glatt gewaschen hat. Ganz schoen rutschig, diese grauen Fussabtreter.

man beachte die Regentropfen auf dem Objektiv

gut gefruehstueckt?

festhalten, Nina!

wackelige Swingbridge
 
Debbie und ihr neuer Freund, der Tischtennisball

Boooeeeeeerd

pinker Farbklecks
Die ganze Zeit ueber laufen wir an einem aquafarbenen Strom entlang, der sich seinen Weg durch grosse Felsbloecke und kiesige Flussbetten sucht. Das Wasser ist so unglaublich klar, dass ich es direkt aus der hohlen Hand trinken kann.

Erfrischung gefaellig?



 
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir endlich die Flats Hut, wo wir auf der Picknickbank im Freien unser Lunchpaket pluendern. Genau zum richtigen Zeitpunkt kommt die Sonne raus und waermt unsere klammen Ruecken. Dennoch wird es im Sitzen irgendwann so kalt, dass ich sogar meine Handschuhe und die Windjacke anziehen muss.

der Nebel haengt auf halber Hoehe
 
Debbie freut sich:
 
endlich ist die Sonne da

Da wir beide schon ziemlich erschoepft sind, entscheiden wir uns dazu, umzukehren. Auf dem Rueckweg machen wir einen Halt an dem Feld voller Eisblumen, die vor der Kulisse eines nebeligen Bergfusses die "Schneekoenigin" auffuehren.
Voellig durchgefroren von der Tour durch den schattig-feuchten Regenwald, erreichen Debbie und ich mit wackeligen Knien und roten Baeckchen  anderthalb Stunden spaeter (auf dem Rueckweg geht's immer schneller) den Parkplatz. Scheinheilig lukt die Sonne hinter den Bergspitzen hervor. Na, dankeschoen, jetzt sind wir nicht mehr auf dich angewiesen - schliesslich koennen wir nun in den Spa-Pool huepfen und in eine Wolldecke eingekuschelt Fotos gucken.

Naturbuehne mit Darstellerin Debbie
 


 
Eisblume
 

 An meinem Abreisetag goenne ich es mir, in Ruhe auszuschlafen und den Vormittag zu verbummeln. Heute werde ich sicher keinen Finger mehr krumm machen. Ausser natuerlich beim Gitarrespielen. Zum letzten Mal uebe ich das Wechseln der Akkorde, Anschlagetechniken und die rhythmische Begleitung der Lieder auf meiner Selbstlern-CD. Waehrend ich in der Backpackerlounge die Saiten schramme, kommt Toni vorbei, um sich zu verabschieden. Ausser "Danke" und "Alles Gute" faellt uns beiden nicht allzu viel Persoenliches zu sagen ein - irgendwie traurig, nachdem ich sieben Wochen in der Kinloch Lodge gearbeitet und gelebt habe. Von John, der zur Aufbauhilfe nach dem letzten Erdbeben in Christchurch gefahren ist, habe ich mich schon vor zwei Tagen verabschiedet. Auch er scheint daran gewoehnt zu sein, dass die Backpacker/Wwoofer kommen und gehen wie die Dunstwolken ueber dem Lake Wakatipu. James und Debbie hingegen merke ich an, wie Leid es ihnen tut, dass Richard und ich heute aufbrechen. "You are our favourite german girl! We'll miss you and your funny sayings..." Zum letzten Mal gebe ich den beiden eine Umarmung, streichele die Hunde Samson und Delilah und brause davon. Heute: keine Traenen.
In Queenstown checke ich mit Richard in das Absoluut (kein Tippfehler, wofuer steht jetzt das zweite 'u'?) Hostel ein (warum das so gute Online-Kritiken erhaelt, ist mir schleierhaft: teuer, kleine Kueche, kleine Zimmer). Auf der Promenade werden bereits eine Openair-Buehne und diverse Fressstaende fuer das "Winter Festival" am Wochenende aufgebaut. Und immer noch: nicht genug Schnee fuer die Skigebiete, um ihren Betrieb zu eroeffnen. Na, komm schon, Wintersonne: Jetzt musst du dich mal eine Entscheidung treffen - bleiben oder weiterziehen? Ich habe mich fuer letzteres entschieden.

Begruessungsfeuerwerk in Queenstown

Montag, 20. Juni 2011

Hoppe, hoppe, Reiter!

Als echter "Hoppe, hoppe, Reiter"-Experte durch zahlreiche Uebungsstunden mit dem fuenfjaehrigen Sammy auf meinen Knien finde ich, dass es Zeit fuer eine echten Ausritt wird. Zur Belohnung fuer unser zweiwoechiges Management der Kinloch Lodge und als "Abschiedsgeschenk" fuer Maria, die uns bald verlassen wird, buche ich ueber "High Country Horses" einen echten dreistuendigen Trip fuer die drei Kinloch Girls. Da Debbie, Maria und ich als Mitarbeiter der Jugendherberge als potentielle Werbetrommelruehrer gehandelt werden, kostet uns das NICHTS! Das laesst man sich gefallen...
Nach langer Zeit muss ich mal wieder "frueh" (7.30 Uhr) aufstehen. Das faellt im neuseelaendischen Winter, wenn es draussen noch daemmrig und ungemuetlich ist, genauso schwer wie im deutschen. Die Vorfreude auf unseren Trip laesst mich jedoch nach sechsmaligen Druecken der Schlummertaste auf dem Bett unter die Dusche huepfen.
Auf dem High Country Hof warten bereits drei gesattelte Hengste, zwei Mitreiter und die Gruppenfuehrerin namens Jo auf uns. Ich bekomme den dunkelbraunen Wallach Sparkie zugewiesen - ein galant langbeiniges  Tier. Trotz dicker Fliesjacke und zwei Paar Strumpfhosen bibbere ich im Takt dessen Schrittbewegung. Im Rees Valley pfeift uns der Winterwind um die Nasen/Nuestern und laesst uns zittern. 






Nur widerwillig durchquert mein Ross den Fluss mit der starken Stroemung und dem frostigen Ufergras. Immerhin hilft gutes Zureden dieses Mal deutlich besser als bei meiner letzten Reiterfahrung mit Siggi auf der Coromandel Halbinsel vor einigen Monaten: Zoegerlich setzt sich Spakie in Bewegung und traegt mich sicher durch die milchiggrauen Stromschnellen. Als wir es mit einem leichten Trab versuchen, fuehle ich mich - dank der richtigen Hoppe, hoppe, Reiter-Technik - sicher und hoehenangstfrei. 





Maria darf aufgrund ihrer jahrelangen Reiterfahrung sogar in den Galopp wechseln, was ihre finnischblauen Augen freudig strahlen und mich neidisch hinterherblicken laesst. Ich will auch! Debbie und mir bleibt jedoch bis zuletzt nur die holprigere Anfaenger-Gangart, was getreu dem Motto "Sicherheit geht vor" ja im Grunde genau richtig ist. Zudem kann ich durch das langsame Tempo viel besser die atemberaubenden Herr-der-Ringe-Filmkulissen von meiner erhoehten Aussichtsplattform geniessen. Zum Abschied duerfen wir sogar mit dem 26 Jahre alten Filmstar aus der Schlacht bei Isengard posieren - der erste Vierbeiner auf meiner Promiliste!




Am naechsten Tag ist der Zeitpunkt Marias Abreise gekommen. Waehrend ich meine Zimmergenossin und Lieblingsfinnin zum Abschied umarme, kann ich ein Traenchen nicht zurueckhalten. Verschaemt wische ich mir ueber die Augen und scharre mit der Schuhspitze auf den Steinchen der Einfahrt. Als ich wieder hoch blicke, sitzt Maria bereits im Van und laesst den Kies unter den Reifen knirschen. Irgendwie fuehlt sich das nach dem Anfang vom Ende an. Schliesslich haben wir gemeinsam vor sechs Wochen in Kinloch angefangen und mir bleiben nicht mehr als ein paar Wochen, bevor ich Neuseeland verlassen werde. Neben der emotionalen Verarbeitung aller Eindruecke muss ich mich daher auch mit einigem Organisatorischen auseinandersetzen: Steuern zurueck beantragen, Auto verkaufen, Kurse fuer mein naechstes Unisemester belegen (aaarrrgggh!). Dass ich Reithelm, Gitarre und Backpack bald gegen Kugelschreiber, Word-Dokumente und Buechereiausweis eintauschen soll, kann ich mir noch absolut nicht vorstellen. Aber wer weiss, was von meinen Reiseabenteuern neben schoenen Erinnerungen und Fotos uebrigbleibt - zumindest die neuseelaendische Version von "Hoppe, hoppe, Reiter".

Sonntag, 19. Juni 2011

In charge

Toni und John brauchen Urlaub. 
Zunehmend gestresst und ein wenig blaesslich haben sich unsere Herbergseltern durch die Hauptsaison geackert - jetzt ist Erholung angesagt. Doch mit einem eigenen Business, mehreren Haustieren und diversen akuten Baustellen faellt das Nehmen einer Auszeit nicht leicht. Es sei denn, man hat fuenf kompetente und aufgeweckte Wwoofer vor Ort. Eine Bar voller Spirituosen, eine Kasse mit 200 Dollar Wechselgeld und nicht zu vergessen die volle Zustaendigkeit fuer einen Tourismusbetrieb an eine Hand voll Backpacker zu uebergeben, die man gerade mal ein paar Wochen kennt, finde ich mutig, um nicht zu sagen waghalsig. "But that's the Kiwi way of life! No worries, everything'll be alright! You're in charge now" - beruehmte letzte Worte eines Hostelbesitzers.
Am Abend bevor unsere Gasteltern samt Kindern nach Australien "abhauen", essen wir alle gemeinsam im Restaurant. Einer seltsamen Intuition folgend gebe ich dem Drang nach, in der Backpackerlounge nach dem Rechten zu sehen. Zum Glueck. Es qualmt, es stinkt, es brennt. James hat beim Entfachen des Feuers die Plastikhuelle der Anzuender auf dem Kamin liegengelassen. Ich reisse alle Fenster und Tueren auf, entsorge die schmorende Verpackung und kehre die Asche zusammen. Trotz bester Verschleierungsmassnahmen riechen Toni und John Lunte und sind - verstaendlicherweise - gar nicht begeistert. Kein guter Start fuer unsere Verantwortlichkeit ueber die Lodge. Ich bin ziemlich geknickt und fuehle mich - trotz innerem Fruehwarnsystem - schuldig. Nach einer Umarmung von James geht's dann aber wieder besser. Bloss nicht persoenlich nehmen, rede ich mir ein. "Everything'll be alright!"

Am ersten Tag der Wwoofer-Wirtschaft geht dann aber - natuerlich - alles schief, was schief gehen kann:

  • Eine (weitere) Waschmaschine gibt des Geist auf. Somit bleibt von vier moeglichen nur noch eine funktionierende uebrig.
  • Sowohl Huehner als auch Meerschweinchen buechsen aus ihrem Freiluftgehege aus und muessen in einer filmreifen Verfolgrungsjagd wieder eingefangen werden. Dabei stellt sich das Federvieh ist so bloed an, dass es noch nicht mal nach Hause findet, als wir es wild gestikulierend in die richtige Richtung treiben.
  • Der Familienvan mit dem Anhaenger zum Einsammeln der Muelltonnen hat einen Platten. So platt, platter geht's nicht. 
  • meine groesste Sorge: Die Stimmung geht den Bach runter. Ich bekomme (verdientermassen) einen auf den Deckel, weil ich mich in Debbies und James' Kochaktion einmische; Maria geht mir mit ihrem "Ich-habe-immer-Recht-Gehabe" ein wenig auf die Nerven und Richard weigert sich, die Tiere anzufassen, geweige denn zu fuettern oder zu umsorgen, was zur Folge hat, dass
  • die Hunde (verwirrt und zu lange ins Haus gesperrt) in ihrer Verzweiflung ihr Geschaeft auf dem Teppich verrichten. Na prima, wenn das so weitergeht...
Am naechsten Tag klappt alles - dank einem dezidierten Aufgabenplan - schon deutlich besser. Trotz fehlender Einweisung in das Buchungssystem gelingt uns schliesslich das Einchecken und Abrechnen neuer Gaeste; James braucht zum Oeffnen der "Honesty-Box" auf dem angrenzenden Campingsplatz dieses Mal nur zehn anstatt zwanzig Minuten (und findet sogar ein paar "ehrliche Muenzen"); beim Kochen, Tisch decken und Abspuelen helfen dieses Mal alle mit; Katze, Hunde, Huehner und Meerschweinchen quieken vergnuegt und ich ueberwinde endgueltig mein Stimmungstief.

In den folgenden Tagen fangen wir an, unsere Verantwortlichkeit zu geniessen. Endlich koennen wir unseren eigenen Kurs fahren; ich schwinge munter den Kochloeffel, probiere jeden Tag ein neues Rezept aus und begluecke meine Kollegen mit Schinken-Kaese-Quiches, einer exquisiten Tomatencremesuppe, Zitronenkuechlein und Minipavlovas. 
Leider muessen wir nun auch mit seltsamen "Walking-Guests" jonglieren, die schnell mitbekommen, dass der Besitzer nicht vor Ort ist und somit meinen, uns auf der Nase rumtanzen zu koennen. Vier Kiwi-Jungs, die am Vorabend eine Party in der Backpackerlounge gefeiert haben, muessen wir am naechsten Morgen buchstaeblich aus den Betten werfen. Obendrein haben die Herren einen absoluten Saustall hinterlassen: heruntergerissene Vorhaenge, undefinierbarer Dreck in der Spuele, stapelweise leere Bier- und Wodkaflaschen, auf den Boden geworfene Handtuecher in den Toiletten. Nachdem wir die Dreckssaeue endlich aus dem Zimmer gekehrt haben, fangen sie an, in der (bereits geputzten) Kueche Speck und Eier zu braten - natuerlich unter der Benutzung moeglichst vieler Teller, Toepfe und Pfannen. Haette ich die alleinige Verantwortung, wuerde ich die Idioten hochkant rausschmeissen. James und Richard sind jedoch nachgiebiger mit ihren Geschlechtsgenossen und druecken beide Augen zu. 
Zum "Runterkommen" verziehe ich mich am Nachmittag mit der Gitarre und dem Selbstlernbuch, das ich per Post von zu Hause geschickt bekommen habe, in den beheizten Fernsehraum und uebe D-, G, A, und E-Akkorde. Das klappt mit der Anleitung auf der beiliegenden DVD schon ziemlich gut. Nach dem Abendessen gehen Maria und ich rueber zu Nachbar und Vollblutmusiker Al, der mir ein paar neue Griffe zeigt und Maria und meinen Gesang schliesslich auf der Gitarre begleitet. Mit Beatles-Klassikern, Tracy Chapman Songs und einer Tasse Tee wird es ein richtig netter, entspannender Abend.
Zur Halbzeit unseres "Wir-haben-eigentlich-keinen-blassen-Schimmer-was-wir-hier-tun-Managements" faengt sich die halbe Mannschaft den Kinloch-Virus ein. James hat eine Mandelentzuendung und muss zum Arzt nach Queenstown gefahren werden, Debbie klagt ueber Muedigkeit und Halsschmerzen und auch mein inneres Gleichgewicht geraet gehoerig ins Wanken: An dem Tag, als die komplette Lodge mit einer Wandertruppe aus den USA ausgebucht ist, befallen mich Kopf- Glieder- und Bauchschmerzen. Ausgerechnet jetzt, wenn extra viel Arbeit ansteht... Nicht nur, dass wir 42 Betten zu machen haben, ausserdem muessen Maria und ich umziehen - nicht genug Platz fuer drei Angestelltenraeume. Nachdem ich meine Sachen von meinem in Richards Zimmer geraeumt habe, bekomme ich Schuettelfrost und eine heisse Stirn. Selbst ein Last-Minute-Bad im Spa-Pool kann mich gerade mal fuer zehn Minuten aufheizen, dann fange ich wieder zu bibbern an. Ohne einen einzigen Bissen von Debbies phanastisch aussehenden Schokoladenbrownies probiert zu haben (ein sehr eindeutiges Zeichen, dass etwas nicht stimmt!), ziehe ich alle meine Klamotten uebereinander an und rolle mich in drei Decken ein. Natuerlich ist um acht Uhr abends an Schlaf nicht zu denken. Zaehneklappernd stoepsele ich mir den MP3-Player in die Ohren und presse meine steifgefrorenen Zehen gegen die Waermflasche. Irgendwann erloest mich meine Erschoepfung und laesst mich in einen unruhigen Schlaf voller Alptraeume fallen.

Tags drauf fuehlt sich mein Kopf zwar immernoch wie ein Fussball an und in meinem Magen rumort es geraeuschvoll, aber es hilft nichts. Ich muss ran. Meine einzige Motivation ist die Aussicht auf eine Nacht in einem der grossen Doppelbetten in der Luxus-Heritage-Lodge. Warum sollen wir es uns nicht gut gehen lassen, waehrend wir von morgens bis abends roedeln? Gegen sechs Uhr lasse ich alle Waeschekoerbe und Putzlappen fallen, schmeisse eine zweite Schmerztablette ein und ziehe in mein Einzelzimmer (!) mit der dicken, warmen Bettdecke und der Garderobe samt weisser Bademaentel.
Einige Tage spaeter geht es gesundheitlich und stimmungsmaessig fuer uns alle wieder aufwaerts. Der Urlaub der Familie Glover naehert sich dem Ende und somit auch die Zeit unserer Verantwortlichkeit. Doch wie so oft im Leben kommt alles anders als man denkt. Mal wieder haben wir die Rechnung ohne die Natur gemacht; mal wieder beeintraechtigt ein Ereignis Neuseelands Infrastruktur, mit dem keiner gerechnet hat. Die Aschewolke aus Chile ist ueber den Pazifik geweht und blockt jeglichen Flugverkehr zwischen Australien und Neuseeland. John, Toni und die Kids sitzen an der Goldcoast fest. Keiner von uns ist wirklich begeistert von dem Gedanken, weiterhin (auf unbestimmte Zeit) den Laden zu schmeissen - vor allem, da uns langsam die Lebensmittel ausgehen, die John fuer uns eingebunkert hatte.
Drei Tage spaeter, nach insgesamt zwei Wochen Wwoofing-Wirtschaft, kehren die Glovers endlich zurueck und uebernehmen wieder das Kommando. Endlich muessen wir uns nicht mehr um die Tiere, die Buchungen und das Kochen kuemmern. Dennoch fuehlt es sich auch ein wenig komisch an, das Ruder wieder aus der Hand zu geben: als wuerde jemand in "unser" Refugium eindringen. Immerhin bekommen wir zwei Flaschen Wein und ein paar Biskuits als Dankeschoen ueberreicht. Alkohol und Schokolade, das ist nie verkehrt, finden Debbie, James, Richard, Maria und ich. 
Und jetzt - jetzt brauchen WIR Urlaub!

Samstag, 11. Juni 2011

12 km to Paradise

An unserem freien Tag wollen Richard, Maria und ich endlich herausfinden, was sich hinter dem Namen "Paradise" verbirgt, den man auf den Wegweisern rund um Kinloch lesen kann. Natuerlich ist der Weg ins Paradies lang und voller Hindernisse. Wir muessen acht Baeche durchqueren (darunter den ebenfalls namentlich vielversprechenden Diamont Creek), einer Horde Rindern Vorfahrt gewaehren und mehreren Paerchen "Paradise ducks" im Tiefflug ausweichen (na, da schau her!). Waehrend der holprigen Fahrt sinnieren Maria und ich ueber immer neue Attribute fuer unseren Chauffeur Richard (rivercrossing, racing, reckless Richard), der uns in der Rekordzeit von anderthalb Stunden ans Ende der zwoelf km langen unteteerten Sackgasse kutschiert. Leider koennen wir weder ein Schild à la "Welcome to Paradise" noch eine grosse gusseiserne Himmelspforte entdecken. Offenbar muessen wir noch ein Stueck zu Fuss zuruecklegen. 

der Weg ins Paradies: eine Sackgasse

Ruthless...

... rivercrossing Richard

Wegzoellner

Namesgeber der Region: Paradise ducks

Winterjacke und Sonnenbrille: So viel Schick muss sein!

Schatten am Diamond Lake

Paradiesanwaerter

Hoch motiviert und auch ein wenig ehrfuerchtig laufen wir in die einzig moegliche Richtung (Norden). Die Landschaft ist tatsaechlich einzigartig. Innerhalb von zehn Minuten duschen wir unter diversen kleinen Wasserfaellen, lehnen uns an samtweiche moosgruene Felswaende und purzeln schliesslich aus dem Regenwald auf ein Roggenfeld inmitten der Schweizer Alpen. Hellgelbe Halme wie im Hochsommer, ein ausgetretener Pfad und im Hintergrund die gigantischen Berge, schneegipfelig und ordentlich aufgereiht wie Tobleronedreiecke. 200 Meter Kornfeldbett, dann wieder dichter Dschungel - unglaublich, wie abrupt die Vegetation wechselt. Und hier finde ich endlich mein persoenliches Paradies. Ich finde Diamanten: im Sonnenlicht tanzende Troepfchen. Ich finde den Himmel auf Erden: Wolken, die sich gestochen scharf im kristallklaren Wasser spiegeln.  Und ich finde einen Schatz, beim Ende des Regenbogens.

Miniaturmenschen

Felsdecke

freundlicher Baumgeist 

Sonnenlaeufer

Knutschkugel

Spiegelansicht

Sprungschanze

Wo ist die Schatztruhe?

Doch auch hier scheint jemand dafuer gesorgt zu haben, dass kein Besucher zu lange im Garten Eden verweilt. Als ich einen Fuss auf die kleine Insel im tuerkiesfarbenen Fluss setze, merke ich sofort, dass das keine gute Idee war. Der betonfarbene Schlick unter mir wabbelt, schmatzt und verschluckt meinen Schuh innerhalb von wenigen Sekunden. Zum Glueck ist Maria da, die mir vom Ufer aus eine Hand reichen kann. Mit ziemlicher Anstrengung befreie ich mein Bein, mache einen grossen Huepfer und lande schnaufend neben meinem Schutzengel. Mit schlammigen Fuessen aber reinen Gemuetern machen wir uns auf den Rueckweg. Dies ist kein Ort fuer die Ewigkeit - ein Abstecher ins Paradies lohnt sich jedoch allemal!


Inselchen knapp ueber der Oberflaeche
schlammiges Fussbad