Freitag, 30. September 2011

The Rock Tour

Am einem Mittwochmorgen, Ende August, startet die Tour, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Es geht endlich in Australiens rote Mitte: ins Outback. Auch wenn ich in den drei Wochen in diesem Land kaum einen Bruchteil von "Allem" sehen kann, will ich mir dieses "Bisschen" auf keinen Fall entgehen lassen. Von mehreren Seiten wurde mir der Veranstalter "The Rocks" empfohlen - ich bin gespannt! 
Los geht es mal wieder super früh: 5.30 Uhr einen Toast hinunterwürgen, um 6 Uhr werden ich und einige weitere Teilnehmer mit dem Minibus eingesammelt. Bei der Vorstellungsrunde über Mikrophon auf wackeliger Rückwärtssitzposition erfahre ich, dass das Nationalitätenverhältnis dieses Mal ausgeglichener und somit angenehmer als bei meiner letzten Tour entlang der Great Ocean Road ist: acht - ganz dem Stereotyp gerecht werdende - laut schwatzende Italiener, vier - ebenfalls erwartbar - erstmal zurückhaltende Deutsche, zwei sehr freundliche Amis und eine schüchterne, aber zuckersüße Kanadierin. Unser Fahrer und Tourguide ist Max, ein echter Australier mit Käppi und ansteckender Gelassenheit. 
Auf der ersten Etappe müssen wir Strecke machen. Von Alice Springs fahren wir sechs Stunden durch die Wüste. Zwischendurch halten wir zu Tankstopps in beeindruckend großen "Ortschaften" (geschätzte Einwohnerzahl: drei). Gegen Mittag erreichen wir Kings Canyon im Watarra National Park. Hier füllen wir unsere Wasserflaschen an den öffentlichen Tanks auf und starten zu einer dreistündigen Tour oberhalb und entlang der australischen Ausgabe des Grand Canyons. Gleich zu Beginn und pünktlich zur größten Mittagshitze müssen wir den steilsten Abschnitt, eine unebene Steintreppe, bewältigen. Mit kurzen Foto- (Vorwand) und Verschnauf- (Grund) Pausen schafft es unser Team ohne größere Verluste nach oben. Unterwegs zeigt mir Max eine kleine Wüstenechse, einen "Minikoala" und die lustigen Pickelhelm-Tauben, die sich hier, in dieser unwirklichen Landschaft aus rotem Sand, orangefarbenen Steinen und grünem Wüstengewächs pudelwohl zu fühlen scheinen. 

Treppenlauf

Outbackbewohner Nr. 1

Outbackbewohner Nr. 2

Outbackbewohner Nr. 3, 4 und 5

Outbackbesucherin

Kings Canyon

Obwohl ich unheimlich begeistert bin von dem Canyon, der "Verlorenen Stadt" mit ihren bienenstockartigen Hügelchen, der Weite der Sandsteinwüste und vor allem diesen Farben, habe ich ziemlich mit der Hitze zu kämpfen. Beides - Szenerie und drückende Wärme - kenne ich nicht aus Neuseeland. Dort hatte ich mich bereits an das stets erfrischende kühle Lüftchen und die saftiggrüne Hügellandschaft gewöhnt. Ungeachtet der Tatsache, dass es eigentlich Winter sein müsste, zeigt sich die Sonne erbarmungslos und das Thermometer 30°C. Unter meiner Kappe komme ich ganz schön ins Schwitzen. Die drei Liter Wassser, die anfangs noch in Flaschen in meinem Rucksack geschwappt haben, habe ich noch vor Erreichen der letzten Etappe ausgetrunken. Um unsere Kehle ein wenig zu befeuchten, testen wir die Echotauglichkeit des Canyons und freuen uns über die hervorragende Klangqualität mit Dolby Surround. Den Lunch, ein pappiges Weißbrotsandwich, nehmen wir an einem Wasserloch ein, dessen Wellenbewegungen im Zusammenspiel mit dem Sonnenlicht an überhängenden Felsen reflektiert werden. Eine echte Oase!


Schattenspiel

Kletterspiel

die traut sich was...

... aber nur in guter Gesellschaft

lebendiger Stein

lebendiger Rucksack: Lion King

Ameisenhaufen




toller Ausblick

Ziemlich erschlagen von der Canyonwanderung fahren wir anschließend noch einige hundert Kilometer weiter. Max hat angedeutet, dass wir für das Grillen am Abend noch Feuerholz sammeln müssen. Wo denn bitte, in dieser öden Gegend? Tatsächlich hält der Bus wenig später mitten auf der schnurgeraden Straße und wir werden losgeschickt, um die ohnehin schon verkohlten Baumreste in dem staubigen Feld zu unserer Linken abzurupfen und zu zerkleinern. Max meint es also wirklich ernst. Ich habe noch nie einen Baum mit bloßen Händen gefällt. Ebenso scheint es den Italienern zu gehen, die keine Anstalten machen, sich ins Gebüsch zu schlagen und anstattdessen lieber einen Plausch halten. Schließlich überwinde ich meine Berührungsängste und bin nach dem ersten Kampf von Kopf bis Fuß mit Ruß verschmiert und von den spickerigen Ästen verkratzt. Große Gesichter, Schlucken, dann fangen die Mädels an, die Miniästchen aufzuheben, die ich bei meiner Hauruckaktion verteilt habe. Als ich Max, der auf dem Trailer steht, meinen fünften Baumstamm reiche, während die anderen immernoch mit Stöckchensammeln beschäftigt sind, grinst er und meint: "Nina, if I ain't got you, I ain't got nothin'..." Soll ich das jetzt als Kompliment oder als Frechheit verstehen?
Rußpartikelfilter

Nachdem wir unsere Hände mit Wasser aus dem Tank und rotem Sand gewaschen haben, meint Max: "Okay, jetzt sind wir soweit ausgestattet: Schlafsäcke, Essen, Feuerholz. Was fehlt noch für einen romantischen Campingausflug?" Wer als erste "Alkohol!" ruft, möchte ich hier lieber nicht erwähnen. Letzter Stopp auf dem Weg zum Nachtlager ist somit die Tanke, an der Max von unserem zusammengesammelten Geld zwei Paletten Bier und einen Beutel Eis besorgt. Dann rumpeln Bus und Anhänger durch die Dunkelheit über einen Trampelpfad Richtung Nirgendwo. Macho-Max gibt nochmal richtig Gas und ich zweifele an der Kontruktionsstabilität auf unserem Trailer. Überraschenderweise erreichen wir ohne Zwischenfälle das - ähm - Zeltlager? Wow, das nenne ich mal minimalistisch: In der Finsternis kann ich gerade so eine Feuerstelle ausmachen und das war's dann auch schon an "Facilities". Beim Abladen des Feuerholzes passiert dann prompt der erste Unfall: Ulli, die andere Deutsche, bekommt trotz Kopflampe mit einem der Baumstämme heftig eins übergebraten. Au, das schmerzt schon beim Zuschauen. Während ich mit meinem Notfallkit erste Hilfe leiste, bereitet Max mit den Italienern das Abendessen zu. Mit der glühenden Kohle des Lagerfeuers installiert er einen Naturofen für den gusseisernden Topf, in dem Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse schmoren. Im Wok wird ein Chilli con bzw. sin carne zubereitet und im dritten Topf zieht der Reis. Improvisationskochen auf höchstem Niveau. Auch beim Abwasch wird Wasser über dem Feuer zum Kochen gebracht. Ein Schuss Spüli und der wackelige Klapptisch bilden die Do-it-yourself-Spülmaschine.
Mit vollen Bäuchen laden wir die sogenannten Swags, übergroße Schlafsäcke aus Zeltplane mit eingebauter Matratze, ab, in die wir unsere eigenen Schlafsäcke und uns selbst reinstopfen. Eingemummelt unter dem Sternenhimmel, den ich ohne Kontaktlinsen zwar nur verschwommen, aber nicht weniger romantisch wahrnehme, hören wir das letzte aufbäumende Knistern des Feuers und klappen dann die Augen zu.

Cook it yourself!

Aschenbecher

Zelten unter freiem Himmel

Am nächsten Morgen wache ich bereits auf, noch bevor uns Max um sechs Uhr aufstöbert. Meine Blase ist zum Zerreißen gespannt und mein Gesicht eiszapfenkalt. Um während der Nacht "auf die Toilette" zu gehen, dafür war ich schlichtweg zu faul und die Schlafmattensackkonstruktion zu eng. Unser natürlicher Weckalarm ("goooood morning, guuuuuuuys!") zeigt jedoch kein Erbarmen ob der Kälte und auch die "Schlummertaste" kann ich irgendwie nicht finden. Wenigstens warten bereits Tee, Kaffee und "Weetbits" (zusammengepresster Weizenabfall, den die Australier als gesunde Frühstücksmahlzeit anpreisen) auf uns. Gemeinsam packen wir anschließend alle mit an und kurze Zeit später sieht der Campingplatz wieder genauso unberührt aus wie bei unserer Ankunft.
Erster Tagesordnungspunkt ist Körperpflege. Im nahegelegenen Ayers Rocks Ferienpark mit etwa 30 aneinandergereihten Duschen, richtigen Toiletten und Waschbecken waschen wir seufzend den ganzen roten Staub und Dreck von unseren noch steifen Gliedmaßen. Das tut Not! Eine halbe Stunde haben wir Zeit zum Frischmachen, dann scheucht uns Max schon wieder weiter.
Heute stehen die Olgas (oder in der Sprache der Aboriginis "Kata Tjuta") auf dem Programm. Wie orangerote Köpfe ragen die Domspitzen der runden Sandriesen aus der ringsrum flachen Erde. Eine bizarre Kulisse! Die gigantischen Felsen und deren unwirkliche Anordnung sehen ganz unwirklich aus. Wirklich sehr spirituell, dieser Ort. Und erst die Farben: Spielend leicht entdecke ich die gesamte Regenbogenpalette im Himmel, Gras, Gebüsch, Gestein, Schotter und Bewuchs.

Kata Tjuta

Wasserfarben

größer, höher, schöner

Naturheilkunde: so geht das?!

Steinspuren

Ähnlich wie der Ayers Rock haben sich die Olgas durch Jahrmillionen zurückliegende Erdrutsche, Sedimentablagerungen in natürlichen Gräben und Tälern, Verschiebungen der tektonischen Erdplatten und durch Herausdrücken der Sedimentschichten an die Oberfläche sowie Wind- und Wassererosionen gebildet und ausgeformt. Im Gegensatz zum Ayers Rock bestehen die Olgas jedoch nicht aus ursprünglich großen Gesteinsbrocken, die sich unter der Erdoberfläche zu einem großen Monolithen vereint haben, sondern aus kleinerem Geröll und Sand, erklärt uns Max mit Hilfe einer provisorischen Zeichnung im Staub.
Anschließend steht wieder eine längere Wanderung an: Und zwar durch das Tal, das im Sommer zur Mittagszeit sogar von offizieller Seite, den Betreibern des Nationalparks, gesperrt wird, da die Hitze dann sogar lebensbedrohlich sein kann. Sogar jetzt strahlen die Steine eine unglaubliche Wärme ab, aber wenigstens findet sich zwischendurch im Schatten der kathedralähnlichen Steine ein kühleres Plätzchen. Gemeinsam mit Antonia aus Deutschland, Julie aus Kanada und Roberta aus Italien laufe ich staunend durch das Tal, über die staubigen Flächen und die ockerfarbenen Felsen, die für Touristen frei gegeben sind. Unterdessen macht der rund um die Uhr Entertainer Max ein Nickerchen im Schatten eines Wüstengewächses. Zum wohlverdienten Mittagessen gibt es heute selbstgemachte Wraps m Campingtisch. Eine sehr gesellige Methode des Kochens!

Blick vom Windy Canyon

Ockerfarben

vorneweg

nebenbei

obenauf

Dann fahren wir endlich zu DEM Naturmonument Australiens, dem Ayers Rock. Unser Reiseführer erklärt uns, dass Uluru eigentlich nicht der Aborigini-Name ist, sondern mal wieder ein Zeugnis der Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Ureinwohnern und Besiedlern des roten Kontinent. Das Urvolk Australiens bezeichnet mit diesem Wort nämlich nur eine bestimmte Aushöhlung im Ayers Rock, auf die die frühen Siedler gezeigt hatten, als sie in fremder Sprache fragten, wie der "rote Klotz" denn nun heiße. Ebenso bedeute "Kangaroo" auch nicht springendes Tier, sondern "ich weiß nicht, wovon du sprichst." Abgesehen von sprachlichen Missverständnissen und fehlenden Gemeinsamkeiten in der Betrachtung von Naturphänomenen erfahren wir auch etwas über die kulturellen Unterschiede zwischen Aboriginis und westlichen Kulturen, die sich am deutlichsten im Streitpunkt um die Besteigung des Ayers Rock manifestieren. Bevor unsere Gruppe auch nur einen Fuß näher an oder gar auf den Fels setzen kann, bekommen wir von unserem Guide eine Präventativ-Standpauke, nach der sich ohnehin niemand mehr trauen würde, rauf zu klettern. Andere Touristen, die weniger gut informiert sind oder die allerorts aufgestellten Warnhinause absichtlich übersehen haben, kämpfen sich an der flachsten Seite den Berg hinauf; nicht etwa in Serpentinen, sondern schnurgeradeaus. Da der Aufstieg trotz Handlauf und sichtbar plattgetrampeltem Ameisenpfas immernoch unheimlich schwer zu bewältigen und riskant ist, verunglücken beim Versuch, die 348 Meter zu erklimmen, regelmäßig Touristen. Die Aboriginis betrachten es als ihr Versäumnis, die Besucher ihres Landes nicht eindrücklich genug vor den Gefahren gewarnt zu haben und bestrafen sich selbst durch grauenvolle Verstümmelungen. Neben dem religiös-kulturellen Aspekt spricht auch ein ganz profaner Grund gegen die Besteigung: Durch die von der Oberfläche herunterfallenden "Abfälle" menschlicher Art wurde das einzige Wasserloch am Fuße des Monoliths so verseucht, dass inzwischen noch nicht mal mehr die Tiere daraus trinken - und das inmitten einer Wüste.

Warnhinweis Nr. 20184
 
Ich bin schockiert, aber dennoch froh, einen Reiseführer dabei zu haben, der mir diese Hintergrundinformationen mitteilen kann. Immerhin haben es die Ranger geschafft, seit Eröffnung des Nationalparks die Rate der Parkbesucher, die den Ayers Rocks besteigen, von 90 Prozent auf 15 Prozent zu senken. Als Alternative gibt es die deutlich weniger gefährliche und anstrengende, dafür aber die Traditionen der Ureinwohner respektierende Möglichkeit einer Wanderung rund um den großen roten Felsen. Diesen Gang geben wir uns jedoch für den morgigen Tag auf. Heute erkunden wir - zugegeben inzwischen schon ziemlich erschöpft - das Kulturzentrum des Nationalparks und suchen uns dann zwischen den Riesentouribussen ein Plätzchen zum Sonnenuntergangbestaunen. Während wir für das perfekte Foto posieren, bereitet unser Allrounder schon das Abendessen zu und lädt das eisgekühlte Bier aus. Die Stimmung ist gut, das Licht der letzten Sonnenstrahlen warm und die Vorfreude auf morgen groß. Anschließend schlagen wir unsere Zelte - ähm, Schlafmatten - im Camp auf, wo es dieses Mal sogar Toiletten und Waschräume gibt, und halten nach dem Kreuz des Südens Ausschau. Es ist phantastisch warm und gemütlich und selbst die frechen Wüstenrennmäuse, die sich zwischen unseren Matten tummeln, machen uns heute Abend kaum noch nervös.

Feierabend!
mit Antonia und Julie

Sonnenuntergang

Am dritten und letzten Tag unserer Outbacktour geht der Weckmax schon wieder vor Sonnenaufgang. Um den Ayers Rock nochmal von der anderen Seite angestrahlt zu sehen, fahren wir vor Tau und Tag wieder zum Aussichtspunkt. Um ehrlich zu sein, finde ich den Hype zwar etwas übertrieben (vor allem, weil der Kings Canyon und die Olgas meiner Meinung nach mindestens ebenso beeindruckend sind), aber als ich meinen ersten Schluck Tee mit Blick auf die sich verändernden Farben und Lichtverhältnisse genieße, verfliegt meine muffelige Morgenstimmung. Um den größten Besucherströmen zu entgehen, starten wir danach sofort mit dem "Base Walk", bei dem wir um den Monolithen mit 9,4 km Umfang herumwandern. Bestimmte Abschnitte sind selbst hier heilig, sodass es strengstens verboten ist, Fotos zu machen. An anderen Stellen hingegen dürfen wir den Fels sogar berühren. Zugegeben, an diesem Ort spürt man schon eine ganz besondere Energie, vor allem an dem - obwohl verschmutzten - faszinierenden Wasserloch, das zu dieser Tageszeit noch im Schatten liegt. Beseelt von der Athmosphäre werde ich ganz still und nachdenklich. Entgegen meiner Vorstellungen sind die Seiten des Ayers Rocks nämlich nicht überall steil wie Hochhauswände, sondern haben durch feinkörnige Schleifwinde Höhlen, Brücken und Überhänge ausgebildet.

Da ist er, der rote Klotz!

Den kann man sogar anfassen...

... und gern haben!

big wave
zusammenwachsen
Hochhauswand
Perspektivenwechsel
Eine runde Sache...
... bietet Halt, ...
... Unterschlupf, ...
... und Liebe - wer entdeckt das Herz?
so laut kann Stille sein

Mit Gucken und Staunen brauchen wir gute zweieinhalb Stunden für die Umrundung, bekommen zur Belohnung ein zweites Frühstückchen in Form von zähneknirschendsüßem Kuchen und dann ist "The Rocks Tour" für mich bereits beendet. Während der Großteil der Gruppe mit dem Van zurück nach Alice Springs kutschiert wird, nehme ich gemeinsam mit dem amerikanischen Pärchen den Flieger zurück nach Sydney. Mit Sicherheit die schnellere und komfortablere Methode des Reisens, aber auch viel unwirklicher. Denn hier, mittem im freien Feld, erwartet man wohl kaum einen modernen Passagierflughafen. So ich bin wirklich überrascht, als wir nach der wehmütigen Verabschiedung von den anderen Tourmitgliedern in eine durchaus große Maschine steigen, die an diesem Tag nur eine von vielen mit dem Zielflughafen Sydney ist. Die Dame am Schalter mit dem kecken Fransenpony und dem gemusterten Halstuch hat mich netterweise vor dem Flügel am Fenster platziert, sodass ich beim Abflug sogar noch einen Blick von oben auf die Olgas und den Ayers Rock werfen kann. Toll!

Kata Tjuta von oben

Ayers Rock von oben
 
Dreieinhalb Stunden später, zurück in Sydney, werde ich wieder von Julia und ihren Mitbewohnerinnen im Empfang genommen und ohne Pardon oder Rücksichtnahme auf einen eventuellen Kulturschock in das Nachtleben der Metropole entführt.
Am darauffolgenden Tag nehme ich den Bus zum Hauptbahnhof, von da aus die Bahn zum Flughafen und dann beginnt meine lange, lange Heimreise - nach neuneinhalb Monaten in Neuseeland und einem knappen Monat in Australien. Ein seltsames Gefühl. Ich freue mich riesig darauf, nach Hause zu kommen, kann mir aber noch nicht wirklich vorstellen, was mich dort erwartet. Auch der Gedanke daran, dass ich in den nächsten Jahren kaum so schnell wiederkommen werde, produziert einen Kloß in meinem Hals. Dennoch habe ich nicht nur jede Menge Fotos, Tagebuchseiten und einige wenige Mitbringsel im Gepäck, sondern auch so einmalige Erfahrungen, Erlebnisse und Erinnerungen wie meine Tour ins australische Outback. Und davon lässt sich bestimmt noch lange zehren...

Freitag, 9. September 2011

The Ghan

Adelaide ist für mich eher ein uncharmanter Verkehrsknotenpunkt als ein lohnenswerter Zwischenstopp. Zwar checke ich hier endlich mal in ein akzeptables Hostel ein (die neuseeländischen Standards haben mich offenbar verwöhnt), dafür gibt es in der Stadt (zumindest an einem Tag mit mangelnden Energieressourcen) nicht allzu viel zu erkunden. Mir hängt die Müdigkeit und Anstrengung der letzten vollgepackten Tage in Melbourne und auf der Great Ocean Road Tour noch in den Knochen. Ich kann mich lediglich zu einem kurzen Stadtbummel und einem Glas Wein in der Bar neben unserem Hostel aufraffen. Das Nachtleben haben die Mädels von der Tour und ich schon an unserem Ankunftsabend ausgecheckt und für ziemlich enttäuschend befunden: Trotz Wochenende kaum Bars geöffnet bzw. geschäftig und die Mallorcastimmung auf der Kneipenmeile war nun wirklich nicht nach meinem Geschmack. Kein Vergleich zu meinen Erfahrungen in Sydney und Melbourne. 

Also schnell weiter - und zwar mit dem Zug!
Um es gleich vorweg zu nehmen: 25 Stunden Zugfahrt, das ist wahrlich kein Pappenstiel. Es geht schon mal damit los, dass der Shuttlebus, den ich von meinem Hostel aus gebucht habe, gar nicht erst aufkreuzt. 15 Minuten lasse ich verstreichen, steige trippelnd von einem Fuß auf den anderen, dann werde ich nervös und nehme ein Taxi zum Bahnhof. 20 Minuten vor angegebener Abfahrtszeit des "Ghans" begrüßt mich der Kofferjunge mit den Worten "We have to hurry up!" Na so was, denke ich, da scheint das Zeitmanagement der Deutschen Bahn einiges bei mir angerichtet zu haben. 
Die Tür zu meinem Waggon ist tatsächlich schon versperrt, sodass ich mit Sack und Pack am anderen Ende des Zuges einsteigen und mich dann durch alle anderen Personen-, Güter- und Speisewagen bis zu meiner Sitzreihe kämpfen muss. Schnaufend wuchte ich meinen Rucksack auf die Gepäckablage und lasse mich in den breiten Sessel fallen. Gerade noch geschafft. Denn nun bekommen die 47 Passagiere unseres Waggons eine wortreiche, mit breitem Ozzi-Akzent vorgetragene Sicherheitseinweisung von dem Schaffner mit Cowboyhut. Damit auch ja jeder die Toilettentür verriegelt und es zu keinen ungeplanten Freizügigkeiten kommt, wurde vor der Automatiktür noch ein Vorhang angebracht. 

"im Falle eines Druckverlustes ziehen Sie bitte die Sauerstoffmasken zu sich hin"

gerade noch den "last boardingcall" geschafft

Abfahrt 12.20, Ankunft 13.45 am nächsten Tag
 
Schmunzelnd lehne ich mich zurück und verbringe die nächsten Stunden abwechselnd lesend, dösend, Musik hörend und snackend. Neben mir sitzen zwei junge Aborigini-Mütter mit drei kleinen Kindern, mindestens eines davon noch im Nuckel- und Windelalter. Ich stoppe die Zeit: Genau eine Stunde und 50 Minuten, nachdem wir in Adelaide losgefahren sind, fängt das erste Geschreie und Geheule an. Die Kinder turnen auf dem Boden, ihrem Müttern, meiner Armlehne und im Gang rum. Ich stöpsele meinen MP3-Player ein und schaue aus dem Fenster. Schnell stelle ich fest, dass Australien viel grüner ist, als ich es mir vorgestellt hatte. Die weiten Felder erinnern mich streckenweise sogar an deutsches Ackerland. Aber: Es ist ja auch Winter! Kurz vor Sonnenuntergang werden dann auch die Blätter und Halme zusehends brauner und die Landschaft eintöniger. 

erstaunlich grün
 
Sonnenuntergang in der Wüste

Gegen sechs Uhr kommt die Lautsprecherdurchsage, dass nun eine warme Mahlzeit im Speisewagen angeboten wird. Große Unruhe, viel Getrampel, die Toilettenlampe neben dem Vorhang leuchtet durchgehend. Zwei Stunden später wird das Licht ausgeschaltet. Wie bitte? Das ist ja nun ein wenig übertrieben, oder? Ich bin noch hellwach und vertrete mir lieber die Beine, anstatt jetzt schon die Augen und Ohren zuzukneifen. Als ich zurück in unseren Waggon komme, bin ich erschlagen von der stickig-stinkingen Luft. Schon von der Tür aus kann ich riechen, dass das Aborigini-Baby eine neue Windel braucht. Als Mama mit dem kleinen Scheißerchen zum Klo unterwegs ist, geht das Licht plötzlich wieder an. Eine Stunde später wieder Licht aus. Hin, her, her, hin. 
Unbeeindruckt mache ich die Beine lang, bette meinen Kopf auf dem aufblasbaren Nackenkissen und nicke weg. Nachts wache ich auf, weil der Zugführer endlich die Klimaanlage, dafür aber viel zu kalt eingestellt hat. Fröstelnd zerre ich meinen Schlafsack von der Gepäckablage und schlafe wieder ein. Gegen neun Uhr morgens wird es geschäftig. Meine Knie schmerzen und mein linker Fuß ist angeschwollen - obwohl ich brav das Zehenalphabet in die Luft geschrieben habe. Inzwischen ist der muffige Geruch fast unerträglich. Gut, dass wir gegen Mittag aussteigen dürfen. Draußen sieht es genauso aus wie gestern Nachmittag: roter Sand, helle Büschel, knallblauer Himmel. Weit und breit nichts zu sehen als Wüste. Kein Dorf, kein Bahnsteig, nichts. Wahnsinn. Endlich bekomme ich ein Gefühl für die Größe Australiens und die unglaubliche Entfernung von 2000km, die ich innerhalb von einem Tag zurücklege. 

Outback

ausgetrocknetes Flussbett
 
Dann taucht Alice Springs, das Ziel meiner Reise, wie eine Geisterstadt aus dem Nirgendwo auf. Wie kommt man denn bitte darauf, hier zu leben? Das muss ich in den nächsten zwei Tagen auf jeden Fall rausfinden. Jetzt erst einmal Beine bewegen und duschen. "Eine Zugfahrt, die ist lustig", brumme ich vor mich hin und stolpere erschöpft auf den Bahnsteig, der aus Staub und 30 Grad im Schatten besteht.