Freitag, 12. August 2011

Sydney

Sydney ist eine Buehne:


eine Buehne fuer die Generation von Maedels, die einen Schmollmund und die 80er Jahre Sonnenbrille aufsetzen, sich auf dem stylischen Glebe Weekend Market ein Second Hand Flatterkleidchen zu Ladenpreisen kaufen und dann in einem Strassencafe auf einem winzigen Stuehlchen ohne Lehne hockend einen Chai Latte trinken, waehrend sie in einem dieser kostenlosen Szeneheftchen blaettern, die man stapelweise vor den Alternativbuchlaeden findet. Das ist die Buehne im Stadtteil Glebe.


eine Buehe fuer die Generation von finster dreinblickenden asiatischen Kiosk-, Imbissbuden- und Nagelstudiobesitzern, die so wirken, als waeren sie die ersten gewesen, die ihre und die Existenz ihrer Landesgenossen in diesem fremden, viel zu freizuegigen Land, in dem es mehr Sushi ohne als mit Fisch und viel zu viele sonnengebraeunte Menschen gibt, in Frage gestellt haben. Das ist die weiitlaeufigste Buehne von allen; sie erstreckt sich ueber die ganze Stadt.


eine Buehne fuer die Strassenkuenstlerduos, die mit Gitarre, One-Drummer und eigener Facebookseite an den Fussgaengerampeln der grossen Kreuzungen auf einmal das Tempo aus dem Verkehr nehmen, das Surren aus der Luft, die Eile aus dem Gang, den Gedanken an den soeben verpassten Bus oder den laengst ueberfaelligen Gehaltscheck. Das ist die Buehne in Downtown.

 

eine Buehne fuer die weissen Kakadus, die im Botanischen Garten mitten im Grossstadtdschungel ihre Fluegel ausbreiten und maejaestetisch von einem schwingenden Ast zum anderen gleiten, waehrend sie hochschnabelig mit ihren gelben Kopfsschmuck wedeln. Von dieser Buehne aus hat man einen phantastischen Blick auf Sydneys Skyline auf der einen und das Opernhaus mit der Harbour Bridge auf der anderen Seite.


eine Buehne fuer die beschlipsten, zuweilen auch beschwipsten Recruitingconsulter, die zwar selbst nicht wissen, womit sie eigentlich genau den Haufen Geld verdienen, den sie bei einem Feierabend(ge)lage(r) unter dem weissen Schirm auf dem betongepflasterten Innenhof mit Pseudobiergarten oder in der sich drehenden Bar im 58. Stock des Rundfunkturms wieder zum Fenster rausschmeissen, dafuer aber umso lieber mit Fachbegriffen um sich schmeissen und dabei an ein paar gnadenlos ueberteuerten dafuer aber deutlich zu klein geratenen Canapés nippeln. Das ist die Buehne am Kings Cross.


Sie alle rufen: "Hier schaut her, ich habe es geschafft! Ich lebe, ich ueberlebe in Sydney, der wohl teuersten Stadt auf dem ganzen Kontinent. Ich arbeite hart, aber ich verzichte auf nichts." Verzichten brauchen sie auch nicht, diese Gewinner, diese "Sydneysider". Sie alle sind frei, frei zu gehen, auszufliegen. Aber das tun sie nicht. Sie bleiben. Sie moegen schmollen, finster dreinblicken, traurige Lieder singen, auf die ganzen Toruisten scheissen oder ihren Schlips mit stoischer Verdrossenheit binden. Sie moegen wie Schauspieler wirken, bestens platziert in einer Kulisse aus Hedonismus, Modewahn und Verschwendertum. Aber im Grunde sind sie keine Schauspieler, keine Statisten, sie sind die Requisite, sie sind Teil des Buehenbilds.
Der Schauspieler hier, der bin ich, der Besucher, der Tourist, der neugierige Eindringling, der es unglaublich anreizend und aufregend findet, sich auf dieser Buehne zu bewegen, auf ihr zu tanzen und zu singen. Ich singe: "Sydney, I'm in love, in love with your bohemians, artists and businessmen,  with your madness, your artificial lifestyle and your confidence. Don't change, you don't have. It's us who are here to embrace you. Let us be part of your stage, of the play named lifequality."

















3 Kommentare:

  1. Wunderbarer Bericht Nina! Es war herrlich mit Dir die Menschen von Sidney kennenzulernen.
    Auf Videos von Menschen in Bahnhöfen oder Flughäfen hast du ja schon immer irgendwie und spätestens nach eurem Literaturkursprojekt gestanden...Toll eine Stadt mal anders erzählt zu bekommen! Viel Spaß noch die restlichen Wochen in Australien!
    Kuss, Resi

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  2. VIEl zu freizügig, VIEL zu sonnengebräunt, VIEL zu viel sushi ohne fisch, VIEL zu stylische menschen, VIEL zu viel geld generell... "hedonismus, modewahn, verschwendertum" ? alle reich und stylisch :D ? klingt irgendwie ein wenig verallgemeinert. hoffe, das ist nicht wirklich so. hab trotzdem noch viel freude! deine neuseeland-berichte waren cool! liebste grüße, julie

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  3. mmmh sydney, sehr schön beschrieben.
    freue mich schon jetzt auf deinen blog über melbourne. world's most liveable city. i love it!
    monique

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