Donnerstag, 4. August 2011

Und jetzt!

An einem meiner letzten Tage in Neuseeland checke ich in das wohl erbaermlichste Hostel des Landes ein. Ich will eine Nacht in Timaru an der Ostkueste verbingen, um die dortige Kunstgallerie, die ueber die Grenzen des Districts hinaus bekannt ist, in Ruhe zu besichtigen. Es gibt nur zwei Hostels, von denen eines eine unheimlich schlechte Bewertung bekommen hat und das andere mich mit seinem "Charme" schlichtweg nicht ueberzeugen kann. Ich bezahle an der Rezeption und werde dann von der Herbergsmutter in den Schlafsaal gefuehrt, wo es so richtig angenehm stickig-warm-stinkig ist und ich auf meinem altrosafarbenen Synthetikkopfkissen mit 80er Jahre Rueschen jede Menge Haare finde. Mir dreht sich der Magen um. Kueche und Gemeinschaftsraum sind runtergewirtschaftet - waren aber vermutlich nie so richtig schoen. Im Bad gibt's Wasserflecken und Schimmel. Will ich wirklich eine meiner letzten Naechte hier verbringen? Nein! Selbst wenn ich meine 25 Dollar nicht zurueck bekommen sollte, hier bleibe ich keine Minute laenger! Zwar peinlich beruehrt aber dennoch wild entschlossen teile ich der Herbergsmutter meine Entscheidung mit. Mit runden Augen schaut sie mich fragend an. "Yeah, you know, I just don't feel comfortable at all. It's all moldy and I found a few hairs on my pillow", schwitze ich aus. Entruestet knallt sie mir mein Geld auf die Theke und blafft: "We do not charge enough to pick every single hair from the sheets!" Aehm, ja, ich geh' dann mal besser, 'ne?
Das war's dann fuer mich mit Timarus Kunstgalerie. Alternativenlos fahre ich erstmal Richtung Norden auf der recht eintoenigen Strecke schnurgeradeaus und entscheide dann, die nahegelegene Banks Peninsula nochmal bei schoenem Wetter anzuschauen. Bei meinem letzten Besuch mit Patrick und Ruth hat es schliesslich nur geregnet. Zwar kann ich in meinem Alternativhostel, dem "Bon Accord" leider nicht auf der Gitarre spielen, da mal wieder eine Saite fehlt, dafuer ist aber alles sauber, gemeutlich und nett. Auf meinem Kopfkissen finde ich hier anstatt fremder Haare eine Waermflasche und ein Handtuch :-)






Am naechsten Tag drucke ich in der gut ausgestatteten aber sehr einsamen Bibliothek in Akaroa mein Flugticket fuer Sydney aus, bevor ich mit moeglichst vielen und sehenswerten Umwegen (darunter eine abenteurliche Fahrt mit meinem Two-Wheel-Drive-Waegelchen ueber eine Four-Wheel-Drive-Only-Schotterpiste mit herrlicher Aussicht auf die Halbinsel) nach Christchurch fahre.
Fuer meine zwei letzten Naechte quartiere ich mich im "Old Country House" ein, einem gar nicht so alten, dafuer aber charaktervollen Holzhaus. Den kompletten Nachmittag verbringe ich mit dem Versuch, den Inhalt eines gesamten Kofferraums in einen ohnehin schon vollen Reiserucksack zu pressen und ein paar organisatorische Dinge zu regeln (Klamotten waschen; Autounterlagen zortieren; einen vom Erdbeben verschonten AA Shop fuer den Verkauf ermitteln; beim Finanzamt checken, ob meine Steuererklaerung eingegangen ist und die letzten Postkarten abschicken).
Dann brezele ich mich fuer mein "Farewelldinner" mit meinem Bekannten Frank auf und mache mich auf den Weg. Ich fahre sage und schreibe drei Runden um den Block, um es schliesslich aufzugeben, einen Zugang zu Franks Strasse finden zu wollen, die mitten im groessten Erdbebenzerstoerungsgebiet liegt. Von drei Seiten abgeriegelt liegt diese Einbahnstrasse somit im Verkehrs-Niemalsland und ich muss Frank per SMS bitten, mir ein Stueck zu Fuss entgegenzukommen. Wir fahren ins Studentenviertel Riccarton, essen im "Fox & Ferret" Pasta mit Meeresfruechten und trinken dazu - stilecht - ein Pils. Ein netter Abschiedsabend, so wie es sein muss!

oh je, wie soll ich das alles unterbekommen???
neeeeervig, diese Absperrungen... aber auch bedrueckend...

Nach einer recht unruhigen Nacht (Alptraeume von Uebergepack und gleichzeitig vergessenen "lebenswichtigen" Lieblingsklamotten, verpassten Fluegen und einem Auslandssemester in Japan sowie diverse sportliche Aktivitaeten meiner Zimmergenossen) stehe ich frueh auf und quatsche beim Fruehstueck mit zwei netten Schwaebinnen, denen ich "last minute" mein Zelt und den Campingkram fuer einen Freundschaftspreis verkaufe.
Anschliessend duese ich das letzte Mal mit meinem kleinen Flitzer durch die Stadt, um mich mit Tony, dem Kaeufer meines Autos zu treffen. Liebevoll streichele ich die Kuehlerhaube und behalte den roten Smiley vom Rueckspiegel als Andenken. Dieses Auto hat mich immerhin sechs Monate, 12000 Kilometer lang und ueber beide Inseln begleitet. Im Automobilshop regeln Tony und ich den "Change of Ownership" innerhalb weniger Minuten und mit der typischen Kiwi-Gelassenheit. Ich uebergebe den Schluessel und bekomme im Gegenzug 1660$ in die Hand gedrueckt. Zusammen mit den 100$ Anzahlung, die Tony schon letzte Woche geleistet hat, ist das somit ein Profit von VIERHUNDERT DOLLAR, den ich mit dem Kauf und Verkauf des kleinen silbernen Japaners gemacht habe!!!

neuer Kleinwagenbesitzer Tony
 
Jetzt muss ich nur noch das Geld auf die Bank bringen und alles ist "sweet as!" Na, wenn das mal so einfach waere. Schliesslich bin ich jetzt wieder zu Fuss unterwegs und die naechste Bank ist laut auskunftsfreudigem Passant  mindestens 20 Minuten entfernt und nur noch ebensolang geoeffnet! Also Beeinlung... Im Stechschritt schaffe ich es in einer viertel Stunde. Stolz schiebe ich die pinken Banknoten ueber die Theke, bedanke mich und setze mein schoenstes Gewinnerlaecheln auf. Manchmal macht "money money money" (und die richtige Begleitung vom MP3-Player auf dem Nachhauseweg) eben doch gluecklich!

1660$ in Scheinen

1660$ auf dem Konto

Dann treffe ich mich mit meiner "here and there and back together" Reisebekanntschaft Sun, mit dem ich bei Sonnenschein und fruehlingswarmen Temperaturen durch den botanischen Garten schlendere. Auf dem Rueckweg fragt mich Sun, ob ich gar nicht traurig sei, dass ich morgen fliege. "Warum sollte ich?", frage ich verwundert. "Hinter mir liegen neuneinhalb wundervolle Monate voller aufregender Erlebnisse und unvergesslicher Momente. Vor mir liegen drei Wochen in Australien und dann das Wiedersehen mit Freunden und Familie. Das ist doch ein Grund zum Freuen!" Ende Oktober 2010 - als ich voellig ueberwaeltigt in Auckland, Neuseeland, gestrandet bin - habe ich mich an dieser Stelle gefragt "Und jetzt? Wie geht's jetzt weiter?" Heute ist das Ziel klar: Sydney, ich komme! Und danach? Mal schauen, im Herumreisen habe ich ja inzwischen Uebung!

ein letztes deutsch-nepalesisches Turnschuhtreffen in Christchurch

Fruehlingswetter im Botanischen Garten

Glockentraeger

Nicht weinen, Sun, schoen war's!

04.08.2011, 4.30 Uhr morgens. Auf geht's!

letzter Sonnenaufgang in Neuseeland

Und jetzt - geht's nach Australien!

8 Kommentare:

  1. Ich habe jetzt Angst. Angst davor, dass du mir, wenn ich heute nach der Arbeit nach Hause kommst, sagst, dass du dich vor den Haaren auf deinem Kopfkissen ekelst. Aber wenn du dich mit einer Waermflasche bezirzen laesst?!
    Ach, meine Liebe, schoen ist es, dich dann, in zwei Stunden gleich wieder zu sehen!

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  2. Wow, es ist echt unglaublich, dass deine 9 1/2 Monate dort jetzt um sind. Es war bestimmt ein bewegender Abschied.. ich hab schon einen Soundtrack dazu im Kopf ;)

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  3. Aber einen noch viel besseren Soundtrack denk ich mir jetzt für unser Wiedersehen aus.. der ist bestimmt noch schöner, denn da freu ich mich schon riesig drauf!!

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  4. Liebe Nina,

    die Zeit ging so schnell vorbei. Ich wünsche dir ganz viel Spaß im wunderschönen Australien!

    Claudi

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  5. Echt Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht und Du hast echt das Beste aus diesen 9 1/2 Monaten gemacht, hast so viele tolle Dinge in Neuseeland erlebt... Ich wünsche Dir, dass Du eine ähnliche Erfahrung auch in Australien machst! In drei Wochen kann man zwar nicht soviel von diesem Kontinent sehen wie in 9 1/2 Monaten, aber ich bin mir sicher, dass Du auch aus dieser Zeit das Beste machen wirst! Freu mich auf jeden Fall schon auf Deine Live-Erzählungen, wenn Du wieder in Wetter City bist! :-)

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  6. Hallo Nina!
    Beim Lesen deines letzten (!) Neuseelandberichtes ging es mir ganz komisch. Als ob ich ein bißchen mitgereist wäre (bin ich eigentlich auch). Und jetzt erlebe ich deinen Abschied nach 9 1/2 Monaten und deine Vorfreude auf Australien.
    Ich wünsche dir nochmal andere, ebenso spannende Eindrücke und zähle die Wochen - nein bald Tage - bis du endlich wieder bei uns bist.
    Alles Liebe deine Mama

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  7. Hey nini!!! Ich wünsche dir ein ganz ganz tolle Zeit in australien und ich freue mich riesig dich wieder zu sehen !!!xxx

    Elena

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  8. Glückwunsch zu deinem stattlichen Verkaufsgewinn.
    Danke schonmal für all die unterhaltsamen und spannenden Neuseelandberichte.
    Tschüss Neuseeland, hallo Australien.

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