Sonntag, 31. Juli 2011

Arthur's Pass und Porters

Nachdem ich in das oelschluckende Monster, das sich Auto nennt, zwei Liter Schmiere gefuellt habe, nehme ich die Strecke von Greymouth, an der Westkueste, nach Christchurch, an der Ostkueste, in Angriff. Obwohl ich schon viele Horrorgeschichten ueber "Arthur's Pass" gehoert habe ("super steil", "gefaehrliche Haardnadelkurven", "unbedingt Schneeketten!"), wage ich heute die Fahrt in Neuseelands hoechstgelegene Dorf. 
Die ersten 50km sind so flach, dass ich mich schon frage, ob ich mich verfahren habe. Dann geht es aber doch bergauf - ueber jede Menge Rollsplitt. Mein Auto schwimmt. Ich nehme die Kurven im Oma-Gang und merke, wie sich bei jeder Lenkraddrehung meine Nackenmuskeln verkrampfen. Die Seitenstrasse zum Aussichtspunkt auf ein Vidadukt ist gar nicht erst geraeumt, sodass ich auf dem Fuss/Reifen wieder umdrehe - vorsichtig und langsam, versteht sich!


Im Winterdoerfchen "Arthur's Pass" gibt es eigentlich nur ein paar Wanderwege (fallen aufgrund der Moerderblasen an meinen Hacken vom Gletschertrip flach), Cafes und die farbenfrohen, frechen Keas, die versuchen, den Touristen ihre Pies und Muffins aus der Hand zu klauen. Da man zu dem hiesigen Skifeld nur zu Fuss ueber einen anderthalbstuendigen Track kommt (in voller Montur, mit den Skiern auf dem Ruecken? No way!), gehe ich gar nicht erst das Risiko ein, hier ohne Schneeketten festzuhaengen und womoeglich noch meinen Flug naechste Woche zu verpassen, und fahre weiter.



Ab hier geht es deutlich moderater weiter. Die Strasse verlaeuft durch wuestenaehnliche Taeler, vorbei an Bergen, Fluessen und Seen: rosamundepilchermalerisch! Es herrscht so wenig Verkehr, dass ich mitten auf der Strasse anhalten, Fotos machen und ein Taenzchen auf dem winterwarmen Aspahlt wagen kann.
Unterwegs komme ich am Castle Hill vorbei - mal wieder ein Drehort aus der Narnia-Trilogie. Die Kalksteinfelsen erinnern mich mit ihren ausserirdischen Formen an die Elephant Rocks, auf denen ich mit Ruth und Patrick vor einigen Monaten rumgeturnt bin. Hier zu klettern wuerde sicher auch Spass machen, aber leider habe ich weder das passende Schuhwerk noch die passende Gesellschaft dabei.










In Springfield (ja, heisst wirklich so) buche ich zwei Uebernachtungen im "Smylies" Hostel (komische Schreibweise, ich weiss) und nach laengerem Herumfeilschen mit dem hollaendischen Herbergsvater Colin das Skikomplettpaket (Liftticket, Shuttlebus, Ausleihe von Skiern, Schuhen, Stoecken, Hose, Jacke, Handschuhen und Skibrille) zum Studentenpreis. Meinen internationalen Studentenausweis  akzeptiert er zwar nicht ("Das ist der meistgefaelschte Ausweis weltweit"), dafuer aber die Onlinesemesterbescheinigung aus Hamburg. Dann quatschen wir ein wenig ueber die Strassen, mein Auto und den anstehenden Verkauf. "Wenn ich fuer die Karre mehr als 1000$ bekaeme, wuerde ich das Geld nehmen und rennen", schlaumeiert Colin. "Aber ich habe den Wagen checken lassen - der Mechaniker meinte, ich koennte mindestens 1500$ dafuer bekommen", kontere ich. "Nee, auf keinen Fall. Glaub mir, ich hab 20 Autos im Hof stehen,. Ich weiss, wovon ich rede!" Irgendwie mag ich den Typen nicht... Wenigstens habe ich ein Sechserzimmer fuer mich allein (jetzt in der Wintersaison ist nirgendwo viel los) und lerne in der Kueche die beiden Kanadier Lydith und Simon kennen, mit denen ich Kochtipps austausche und Schokoladencookies backe.

Noch mit der Zahnbuerste im Mund fluche ich leise vor mich hin, als Colin am naechsten Morgen zehn Minuten vor Abfahrt des Shuttlebusses das ganze Hostel auf der Suche nach mir zusammenschreit. So ein Stresser kann ja kein Neuseelaender sein! 
Den Zufahrtsweg zum Skigebiet Porters haette ich zwar auch mit meinem Auto ohne Schneeketten gemeistert, dennoch bin ich froh, nicht auf der schmalen Serpentinstrasse rangieren zu muessen. Mit am Start ist das Mutter-Sohn-Gespann Jackie und Jackson (ohne Witz!), die sich jedoch den ganzen Tag ueber nur auf dem Anfaengerhuegel und im Cafe tummeln. Nach einer Probefahrt mit dem Babylift und der Erkenntnis "Ich kann's noch!" mache ich ein paar Abfahrten auf den blauen Pisten und nehme dann den naechsten Ankerlift weiter nach oben. Sessellifte oder gar Gondeln gibbet hier nich. Mir mir am Anker haengt eine nette aeltere Kiwidame, die mich ueber den Pistenrand hinaus zum Aussichtspunkt ueber das komplette Tal mitnimmt. Bombastisch! Ich kann gar nicht oft genug "wow" sagen, um diesen Anblick zu beschreiben. Und endlich - endlich! - komme ich dazu, im "Hochsommermonat" Juli einen Schneeball zu werfen!


 

 
 

Nach einigen flotten Abfahrten und einem verdienten Kakao wage ich mit geschulterten Skiern den Gang (!) ueber den Bergkamm zu "Big Mama", der einzigen schwarzen Piste im ganzen Skigebiet. Zunaechst geniesse ich noch den Blick, dann jedoch wird mir bewusst, dass es zwischen hier und dem Tal nur den direkten, steilen Weg nach unten gibt. Kommt man hier einmal aus dem Gleichgewicht, koennen einen die unten sicher in Einzelteilen wieder aufsammeln. Ganz schoen einschuechternd! 


Natuerlich kommt es wie es kommen muss: Ich bin so besorgt, dass ploetzlich gar nichts mehr klappt. Bei einer Linkskurve komme ich ins Straucheln, lehne mich zu weit nach hinten und falle. Gute 100 Meter kreisele ich den Hang hinunter. Obwohl ich versuche, die Skier Richtung Tal zu drehen, sodass ich zum Stoppen komme, ist es ein ziemlicher Kraftakt, endlich genug Widerstand gegen den lockeren Schnee zu bilden. Kurz bevor ich endlich irgendwo haengen bleibe, loest sich die rechte Bindung und der Ski flitzt davon. Vorsichtig checke ich alle Gliedmassen auf Vorhandenheit und Verrenkungen. Alles noch dran, alles noch bewegbar. Ein anderer Skifahrer fragt, ob er mir helfen kann, raet mir aber dazu, von hier aus zu Fuss hinabzusteigen, da ich bei einer 40 Grad Steigung sowieso nicht wieder in die Bindung reinkomme. Rueckwaerts und auf allen Vieren die Piste hinunterstapfend naehere ich mich meinem verloren gegangenen Ski. Nach schnaufenden funef Minuten und positiver Selbstinstruktion klickt endlich die Bindung und ich stehe mit zitternden Knien wieder auf den Brettern. Endlich kommt eine andere Skifahrerin vorbei und gluecklicherweise auch noch ein Guard! Gemeinsam meistern wir in grossen Boegen den Rest von Big Mama. Gegen den Sicherheitszaun gelehnt schnaufe ich erst mal durch, trinke einen Schluck und rede mir gut zu. Demotiviert drehe ich einige Runden auf dem Anfaengerhuegel und gewinne langsam wieder an Selbstsicherheit. Zum Abschluss des Tages mache ich zwei entspannte Abfahrten auf meiner Lieblingspiste und entscheide, dass mir ein Tag Skifahren auf Neuseelands Pisten gereicht hat...


3 Kommentare:

  1. Schön, dass du nach fast einem Jahr immer noch neue und so beeindruckende Sachen erlebst. Auch wenn so ein fieser Sturz auf der schwarzen Piste nicht unbedingt dazu gehören muss...
    Jetzt noch viel Spaß bei der Julia und dann freu ich mich schon, dich in HH wieder zu sehen!!

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  2. ...und ich dachte, Skifahren macht Spaß?!Gut, das der auch dabei war.
    Haben deine Blasen die Skischuhe überlebt?
    Und gut, das der "Besserwisser" Colin eben doch nicht Recht hatte!
    LG deine Mama

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  3. Ich zitiere mal passend aus einem musikalischen oesterreichischen Klassiker:
    Weu I wü Schiiiiiiifoahn, -foahn, -foahn, -foan,
    weu Schifoahn is des leiwandste, wos ma se nur vuastöhn ko.

    Jetzt pack aber schnell die Schi ein und komm!

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