Montag, 16. Mai 2011

Kinloch

Nach einem ganzen Monat Reisen steht mir der Sinn nach Bestaendigkeit, Ruhe und Abgeschiedenheit. Die Menge an Eindruecken, die ich in den letzten vier Wochen gesammelt habe, zu verarbeiten, dauert seine Zeit. Per Telefon habe ich mir einen Wwoofing-Job in Kinloch bei Familie Glover organisiert. Die Kinloch Lodge liegt etwa eine Stunde von Queenstown entfernt, mitten im Nirgendwo. Der naechstgroessere Ort, Glenorchy, mit stattlichen 250 Einwohnern liegt auf der anderen Seeseite und ist mit dem Auto in einer halben Stunde zu erreichen. Kinloch selbst hat neun dauerhafte Einwohner, die da waeren:


John, 49, Lodge- und Restaurantbetreiber, Vater, Wwoofing-Ansprechpartner
Tony, 47, Lodgebetreiberin in Glenorchy, Hausfrau und Mutter, Finanzexpertin
James, 8, Schulkind, Frechdachs
Lucy, 7, Schulkind, Prima Ballerina
Sam, 4, Vorschulkind, Strahlemann
Samson, 12, Haushund Nr. 1, Stoeckchenfan
Delilah, 11, Haushund Nr. 2, Steinchenfanatikerin
Pudel, Alter unbekannt, Hofkater, Schmuse- und Schnurrmaschine
Al, Alter unbekannt, benachbartes Allroundtalent, Bandmitglied

Dauergaeste: geschaetze drei Millarden Sandflies, Lebenesdauer: zu lang, Blutsauger 
sowie: je vier Meerschweinchen und Huehner



Muttertag!


Mitten im Nirgendwo, was tut man da den ganzen Tag?

9 Uhr: aufstehen, froestelnd zum See stolpern, das morgendlich-mystische Bergpanorama bewundern
9.30 Uhr: Dusche und Fruehstueck
10-14 Uhr: Betten abziehen, Waesche waschen, trocknen, buegeln (heiss pressen), Betten neu beziehen (jedes Zimmer hat seine eigene Garnitur an Bettwaesche), Kueche, Baeder, Toiletten, Aufenthaltsraeume aufraeumen und putzen
14 Uhr: Lunch (Reste von gestern oder Sandwiches)
14.30-18 Uhr: optional einen Spaziergang unternehmen, zu einer Mountainbiketour starten, Gitarre ueben, lesen, rumgammeln, Mittagsschlaefchen, Spapool,...
18 Uhr: Abendessen mit der Familie (Hunde und Katze muessen leider draussen bleiben)
19 Uhr: DVD aussuchen, Popcorn poppen, Tee kochen, in Wolldecke einmuckeln
19.15 Uhr: Movietime
22 Uhr: Waermflasche fuellen, Heizluefter einschalten, Buch lesen
23 Uhr: Schlafenszeit
bibber, bibber









Heisswasser

 


hier geht`s nicht weiter fuer Jessica


Morgenspaziergang mit Maria




Nicht, dass ich dieses strikt regulierte und routinemaessig ausgefuerhte Renterdasein alleine fuehren wuerde. Weitere Mitglieder der Wwoofing-WG sind Maria, 29, aus Finnland, und "Jessica" (mal wieder ein Pseudonym fuer die maulfaulen Weststaatler), 21, aus Korea. Waehrend die schuechterne Jessica zu allem "Ja" und "Amen" sagt, kann man mit Maria eine richtig nette (wenn gewuenscht auch kontroverse) Unterhaltung fuehren. Uns beiden macht die Einsamkeit dieses Plaetzchens nichts aus - im Gegenteil, ich geniesse es unheimlich, endlich mal Zeit zu haben, runterzukommen, ein bisschen abzuhaengen, die phantastische Natur zu erkunden, Hobbies nachzugehen (oder erst zu entwickeln), und mich vor allem nicht staendig an eine neue Umgebung, neue Leute, neue Gegebenheiten gewoehnen zu muessen. Jessica hingegen hat so ihre Schwierigkeiten, sich mit sich selbst zu beschaeftigen. Solange ich sie nicht zu einer Radtour animiere oder Maria sie in ein Gespraech verwickelt (wirklich schwierig, wenn jemand nur Bahnhof versteht), weiss das Maedel absolut nichts mit sich anzufangen. Lediglich bei unserem allabendlichen DVD-Abend scheint sie ein wenig aufzubluehen. Auch wenn sie, trotz englischer Untertitel, meist noch nicht mal den generellen Handlungsstrang nachvollziehen kann. Immerhin kann sie sich nicht ueber mangelnde Bandbreite unserer Titelauswahl beklagen.

11 Tage, 11 Filme:
Tag 1: Herr der Ringe Teil I - was sonst?
Tag 2: 27 Dresses - was zum Abschalten
Tag 3: Catch & Release - ziemlich knuffiger "Underdog-Film"
Tag 4: Wimbleton - wie, Tennis kann spannend sein? 
Tag 5: Sweeney Todd - gruseliges Ekelvergnuegen mit jeder Menge Liedern (ein Musical auf 30 Zoll)
Tag 6: American Sweetheart - sobald der Abspann laeuft, hat man schon vergessen, worum es ging; enttaeuschende Darbietung von Julia Roberts
Tag 7: One Hour Photo - Robin Williams ueberrascht mit schauspielerischer Bandbreite (nichts da von wegen liebe Mrs. Doubtfire)
Tag 8: Julie & Julia - Selbst fuer mich als Hobbykoechin gibt's nicht viel abzugucken. Meryl Streep war in anderen Rollen entspannter
Tag 9: The Curious Case of Benjamin Button - Ein Leben lang liiert mit Brat Pitt, es gibt sicher Schlimmeres, dennoch schmeckt die Romanze irgendwie nach Hubbabubba Kaugummi: zuckersuess in den ersten fuenf Minuten, fad und klebrig fuer die naechsten zweieinhalb Stunden
Tag 10: Reign over me - Adam Sandler sollte lieber im Comedy-Sektor bleiben
Tag 11: My Cousin Vinny - eine 1992er Komoedie mit grandiosen Missverstaendnissen und Gute-Laune-Garantie

international lesbare Beschilderung

internation sehbare Filmkollektion

Nach wenigen Tagen in der Kinloch Lodge streicht Jessica die Segel. Waehrend John uns wie jeden Morgen eine freundliche Einweisung in die Aufgaben fuer den heutigen Tag gibt, eroeffnet Jessica ihm, dass sie morgen abhauen will. So schnell kann ein Laecheln auf den Lippen gefrieren. John ist sichtlich konsterniert, bleibt aber beeindruckend hoeflich und laesst uns sogar eine richtig spassige Aufgabe uebernehmen: Waende streichen. Alle der nach einheimischen Voegeln benannten Backpackerzimmer bekommen ein neues Design. Die farbigen Waende werden eierschalenweiss, dafuer gibt`s gemusterte Bettwaesche und mit Stoff bespannte Bilderrahmen. Da Maria heute im Lakehouse in Glenorchy aushilft, bemalen Jessica und ich gemeinsam mit Sam Waende, Leggings und Stupsnasen. 

Piwa-was?


Malerarbeit

Pinselattacke

5 Kommentare:

  1. WOW!!!! You have learned to play guitar; thats super AWESOME!! Looks like you are having loads of fun! Keep it up :)

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  2. lässt sich ein Date zwischen Delilah und Luke arrangieren? Glaube die zwei hätten viel Spaß aneinander und Alerstechnisch würds perfekt passen! :) Du scheinst dort wirklich einen wunderschönen Ort gefunden zu haben, ich beneide dich! Liebe Grüße, Resi

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  3. Das mit der Gitarre... Da ist noch Luft nach oben, würd ich sagen. Gibts von Hänschen klein eigentlich auch eine englische Version, little Johnny? Freu mich schon auf dich, Rockstar Nina!

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  4. Naja, Luft nach oben zweifellos - aber ein mutiger Anfang.
    Die Fotos sind wieder eine Wucht (Blick am See, auf die Berge, und die fröstelige Morgenaufnahme).
    Und natürlich die Hunde...
    Also: unverdrossen weiterüben und weiter Spaß dran haben!
    Liebe Grüße, deine Mama

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  5. Oh ha Nina, das war scheußlich... mit der Gitarre. Vielleicht hilft lautes mitsummen oder einfach was nicht so schweres... Tonleiter kommt auf jeder Party gut.

    Ansonsten: bist ja grad in einer direkt widerlich schönen Gegend. Genieß die Zeit.

    Ciao, O

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