Dienstag, 7. Juni 2011

Mission Impossible

Kein einziges Woelkchen am Himmel, kein dunstiger Nebelschleier ueber dem See, keine Sandflies (selbst denen ist es zu kalt); das muss ausgenutzt werden. Da in der Lodge kaum etwas zu tun ist und ich ohnehin Uerberstunden abfeiern muss, die ich bei der Geburtstagsparty von Herbergsvaster John angesammelt habe, starte ich zu der ersten richtigen Wanderung seit meiner Ankunft (Schande ueber mich). Von der Kinloch Lodge sind es mit dem Auto nur wenige Minuten bis zum Ausgangspunkt fuer den Walk zum Dart Glacier. Direkt zu Beginn muss ich einen kleinen Fluss durchqueren, dann einen Wall hinaufklettern und den "Einstieg" in den bepfadeten Wald finden. Der Track ist nur spaerlich durch orangene Pfosten oder Dreicke markiert. Dennoch finde ich irgendwie meinen Weg durch Niedriggewaechse, Farne und die immergruenen neuseelaendischen Laubbaeume. Besonders beeindruckend finde ich die riesigen Moosbetten und ploetzlich wechselnden Vegetationszonen.





Wie zu erwarten, geht es stetig bergauf; immerhin muss ich ja irgendwie rauf kommen, auf den Gletscher. Ganz schoen steil, heisst ganz schoen anstrengend, heisst ganz schoen schweisstreibend. Da es zu frostig ist, um sich sitzend den klammen Ruecken von der Sonne waermen zu lassen, ueberspinge ich die Erholungspause und kaempfe mich weiter bergauf. Nach knapp zwei Stunden erreiche ich das Gletscherbecken; die Schneise der Geroell- und Felslawine ist klar erkennbar. Auf einigen Steinen entdecke ich sogar fossilartige Pflanzenabdruecke. Wie alt die wohl sein moegen? Gut 200 Hoehenmeter weiter kann ich die Schneegrenze ausmachen. In einer halben Stunde muesste das doch zu machen sein. Na, da wollen wir doch mal sehen, wer im Juni einen Schneeball wirft...






Mit meiner ersten Schaetzung liege ich grandios daneben. Nach einer halben Stunde sieht die weisse Flaeche noch genauso weit entfernt aus wie zuvor. Schliesslich muss ich jetzt nicht nur gegen die Steigung sondern auch gegen losen Untergrund ankaempfen. Der schwerste Kampf ist wohl der gegen mein Ego. Ich will nicht aufgeben! Was aber, wenn ich es nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit um halb sechs zurueck zum Parkplatz schaffe? In meiner Erinnerung hoere ich, was James mir zum Abschied hinterher gerufen hat: "Take care, Nina!" Hier oben kann man sicher leicht "verschuett" gehen. Ich ringe mit mir. Gehe weiter. Stoppe. Ringe wieder mit mir. Gehe weiter. Stolpere. Falle. Mist. Eindeutiger geht's nicht: Es ist Zeit, umzukehren. 





Bergrunter ist der Weg nicht viel einfacher. Eher im Gegenteil. Ich muss stetig "bremsen", was nicht gerade angenehm fuer die Knie ist, immer wieder stolpere ich ueber Steinchen und wackelige Felsbrochen, knicke um. Die Baender in meinen Fussgelenken schmerzen. Und dann muss ich feststellen, dass ich den Einstieg in den Gletschertrichter nicht mehr finden kann. Auf welcher Seite war dieser Bach doch gleich? Weiter rechts, nochmal ein Stueck nach oben, um die Ecke. Irgendwann entdecke ich den ausgetretenen Wanderpfad und dann ein orangenes Dreieck, das an einen Stamm gepinnt ist. Dem Himmel sei Dank. Als ich endlich mein Auto erreiche, daemmert es bereits und ich bin froh, auf James' Stimme in meinem Kopf gehoert zu haben. Nach diesem anstrengenden Walk belohne ich mich mit einem Bad im Spa-Pool und einem von John's phantastischen Schokoladencockies. Nach unserer allabendlichen Filmvorfuehrung und vorm Schlafengehen bleibt kaum noch Zeit, um zu bedauern, dass ich nicht mehr dazu gekommen bin, einen Schneeball zu werfen. Naja, vielleicht das naechste Mal, der Winter hat ja gerade erst begonnen...

1 Kommentar:

  1. Hut ab, du alte Kraxlerin! Ich wär bestimmt schon längst verschütt gegangen bei meinem Orientierungssinn.. Gut, dass du so gut auf dich aufgepasst hast! Die Videos waren schon lustig anzusehen.. Huuuuups ;)

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.