Mittwoch, 22. Dezember 2010

Alltagsbegegnungen

Da heute der "Half-Ironman-Contest" in Taupo stattfindet, ist im Cafe einiges los. Die halben Eisenmaenner wollen alle ein ganzes Fruehstueck. Die Maedels aus dem Service bringen einen Container mit dreckigem Geschirr nach dem anderen. Langsam tut mir wirklich der Ruecken weh. Und von meinen Fingern sind nur noch ein paar aufgeweichte Stuemmel uebrig geblieben. Mir rutschen einige Teller aus den Haenden - zum Glueck nur ein Mal mit einem scherbenreichen Ende. Obwohl ich mir fest vorgenommen habe, mich nicht stressen zu lassen, bin ich am Ende der Schicht doch ziemlich geschafft. Immerhin werde ich langsam warm im sprachlichen Umgang mit meinen beiden indischen Kollegen Namit und "DJ" (die aussprechbare Version seines indischen Namens Dhiraj). Die beiden fechten ein paar Hahnenkaempfe aus und bringen mich immer mal wieder zum Lachen. 

Namit und "DJ" beim Posen

Bei meinen Zimmergenossinnen Zuzy und Nadja herrscht eine angespannte, gereizte und gleichzeitig ermuedende Stimmung. Waehrend draussen die schwuele Luft flimmert, ist sie drinnen zum Schneiden dick. Die beiden Tschechinnen wollen irgendetwas an ihrer derzeitigen Situation aendern, wissen aber nicht so richtig, was. An der Entscheidung haengen noch zwei weitere Reisepartner, ein paar Arbeitsvertraege, zwei gemeinsam gekaufte Autos und einige zwischenmenschliche Differenzen. Ich erfahre hautnah, welche Vorteile das Alleinreisen hat und bin froh, nur ich zu sein. Trotzdem lasse ich mich von der Bewegungslosigkeit anstecken. Selbst das erfolgreiche Shopping-Erlebnis im Secondhand-Laden (zwei Tops fuer 17$), das erfrischende Bad im Lake Taupo und das gemeinsame Experiment des Pizzabackens am Abend koennen mich heute nicht wirklich positiv stimmen. Auch der letzte Versuch des Tages, erwas Nettes zu erleben, geht grandios in die Hose. Waehrend ich im irischen Pub quizbegeisterten Kiwis beim Betrunkenwerden zuschaue, werde ich einfach nur unheimlich muede.
 
An meinem spuelfreien Tag lerne ich Josephine kennen, eine Molekularforscherin aus der Schweiz. Wir machen einen ausgedehnten Spaziergang am See entlang und ich spreche nach laengerer Zeit mal wieder deutsch - zum ersten Mal jedoch ueber die verschiedenen Moeglichkeiten, eine gentechnisch veraenderte Maus umzubringen. Bizarr.


Zuzy und ich am Strand

ein Moment voller Kontraste

 
Josephine
 
flauschige Badegaeste

Abends treffe ich Kairi und Karol wieder, die beiden estlaendischen Hitchhiker. Da die beiden noch genauso knauserig wie "frueher" sind, trinken wir unser Bier nicht im sondern vorm Cafe - obwohl Alkohol auf neuseelaendischen Strassen eigentlich verboten ist. Die Kiwis sind zwar nicht so brauntuetig veranlagt wie die Amis, verlangen aber jedes Mal selbst fuer leichte alkoholische Getraenke den Reisepass (und zwar nur den, nein, nicht den internationalen Fuehrerschein, nicht den Perso, nicht den Studiausweis und auch nicht die Kombination aller verfuegbaren Ausweisdokumente). Spaeter tanzen wir zur Livemusik im Pub (ist ja schliesslich umsonst, ne?) und freuen uns ueber unser Wiedersehen. Ein tolles Gefuehl, nach zwei Monaten in Neuseeland bereits "alte Bekannte" zu haben.

Am naechsten Tag laufe ich mit Lucy und Ruth in der Mittagshitze zum oertlichen Bungeejumping-Hotspot. Wir suchen uns einen netten Platz zum Zuschauen und rechnen aus, wie viel Geld der Betreiber an einem sonnigen Tag wie heute macht. Ein paar Meter weiter nehmen einige Einheimische in aller Ruhe ein Bad in dem eiskalten, fast schoen laecherlich tuerkisfarbenen Waikato River. Da die Stroemung hier sehr stark ist, lassen sie sich einfach einige Meter mitreissen, schwimmen dann zum Ufer und laufen zureuck, um von vorne zu beginnen. Ich komme nicht umhin, diese unterschiedlichen Freizeitgestaltungen miteinander zu vergleichen: Die Touristen, die nach Neuseeland kommen, um Landschaft und unberuehrte Natuer zu erleben, durchbrechen mit ihrem Geschrei beim 60 Meter tiefen Stuerz in die Tiefe ebendiese Schoenheit und Stille. Die Neuseelaender lassen sich einfach nur treiben.

was fuer Farben
 
Waikato River

Nachmittags quatsche ich mit einem netten Hollaender (auf englisch!), einem sonnenverbrannten Finnen, einem neuseelaendischen Ehepaar und zwei flitterwoechigen Israelis. Nach meinem sprachlichen Tief der letzten Tage gewinne ich langsam wieder an Selbstsicherheit. Dann bekomme ich sogar noch zwei vorzeitige Weihnachtsgeschenke. In unser Hostel ist eine Horde laut kreischender (wahlweise laut kichernder) Teenager eingefallen. Die Klasse besteht zum grossen Teil aus Maedchen, die brauchfreie Tops, mindestens eine Schicht zu viel Makeup und Spongebob-Rucksaecke tragen. Die Lehrerinnen haben den Appetit ihrer Schuetzlinge bei der Pizzabestellung ueberschaetzt und so bleiben zwei ganze Pizzen fuer den Iren Steve und mich uebrig. Als es draussen dunkel wird, holt er seine Gitarre auf den Balkon und gibt ein Privatkonzert. Passend zum Sonnenuntergang trinken wir billigen Weisswein und atmen Fruehlingsluft.


Steve an der Gitarre

Balkonstimmung

1 Kommentar:

  1. Hallo Nina! Wären bei längeren Spül-Orgien nicht ein paar Gummihandschuhe hilfreich?
    Schön, das du so viele Leute aus den verschiedenen Ländern kennenlernst - und es deinem Englisch gut tut.
    Ich wette, von einem "sprachlichen Tief" kann schon lange nicht mehr die Rede sein. Gruß Mama

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