In der "Waterfront Lodge" in Napier lerne ich an meinem ersten Abend das Reisepaerchen Kryz aus Polen und Wilma aus den Niederlanden kennen. Er ist 23, sie etwa doppelt so alt. Beide brauchten von der Farmarbeit in Zealand (das alte, nicht das neue) mal eine Auszeit und haben deswegen beschlossen, die Farmarbeit in Neuseeland auszuprobieren - eine spannende Interessensgemeinschaft, finde ich.
Endlich laesst die Sonne sich mal wieder blicken, nach fast einer Woche Regen- und Wolkenwetter. Das muss gefeiert werden. Ich schmeisse mich in Shorts und Flipflops (oder "jandals", wie sie hier genannt werden - die Abkuerzung fuer "japanese sandals"), kaufe mit Kryz und Wilma ein Eis und laufe den Weg hoch zum Bluff Hill Lookout. Unterwegs kommen wir an der Pania of the Reef, dem Wahrzeichen Napiers, vorbei. Kryz macht ihr die Aufwartung, aber die dunkle Schoenheit laechelt weiterhin kuehl und unverbindlich.
Maori-Schoenheit |
(behuetete) Liebesgestaendnisse |
Der Aufstieg zum Aussichtspunkt ist leider nicht sehr fussgaengerfreundlich., wir latschen uns die Hacken auf den steil geteerten Strassen wund. Fuer die Neuseelaender scheint es in Sachen koerperlicher Ertaetigung nur "entweder/oder" zu geben. Entweder man bricht zu einer mehrtaegigen Wanderung in einem der 16 Nationalparks auf oder man faehrt gleich mit dem Auto. In diesem Fall hat offenbar die Bequemlichkeit gesiegt. Wilma, Kryz und ich haben dieses Prinzip wohl noch nicht ganz durchschaut und schimpfen ueber den fehlenden Fussgaengerzugang. Auf dem Weg bergrunter entdecken wir ein unscheinbares Schildchen mit der Aufschrift "Footpath". Ups, ich nehm alles zurueck. Naja, jetzt koennen wir uns wenigstens ueber die unauffaellige Beschilderung beschweren...
Wer entdeckt die Container aus Hamburg? |
Zurueck im Hostel loeschen wir unseren Wanderdurst mit einem Wein aus der Region. Die Hawkes Bay, in der Napier liegt, ist bekannt fuer ihre Traubenaffinitaet - und wir fuer unsere Vorliebe, die Erzeugnisse zu testen. Hostelmanager Alex hat fuer heute Abend ein BBQ organisiert. Typisch neuseelaendisch gibt es weder Salat noch Steak, nur tiefgefrorene Burgerpatties, die auf den Gasgrill geworfen und mit Weissbroetchen und Tomatosauce (billiger als Ketchup) verspeist werden. Die Stimmung unter den "Grillern" ist richtig gut, ich fuehle mich sehr wohl in einem kleinen Hostel wie diesem. Weil es den anderen offenbar genauso geht, marschieren wir gemeinsam los zum Strand, setzen uns auf einen angeschwemmten Baumstamm und trotzen dem Nachtfrost. Inzwischen wird es schon ziemlich kuehl; der Herbst ist da.
Am naechsten Tag habe ich das unangenehme Gefuehl, nach einer internetlosen Woche ganz viel Organisatorisches regeln zu muessen, weshalb ich zwei Stunden im Internetcafe verbringe. E-Mails beantworten, Blogeintrag schreiben, Fotos hochladen, Finanzen klaeren, wie viel Zeit das immer kostet. Ich merke, wie schwierig es ist, sich tatsaechlich mal fuer eine Weile aus der Onlinewelt zu verabschieden.
Am Nachmittag treffe ich mich mit Zuzi, der Tschechin, mit der ich in Taupo eine Woche zusammen gearbeitet habe. So ein Wiedersehen ist doch immer wieder nett. Wir besichtigen eine Fotogallerie und quatschen eine Weile mit dem flippigen Artdesigner aus Wellington. Dann gehen wir auf Erkundungstour durch das fuer seinen Art-deco-Stil beruehmte Napier. Okay, die Gebaeude sind zwar ganz nett, eine ganze Ecke interessanter gestaltet als in anderen neuseelaendischen Staedten, aber mit europaeischer Kultur- und Architekturvielfalt kann das hier trotzdem nicht wirklich mithalten... Wie auch, wenn das Land erst vor gut 250 Jahren erschlossen wurde.
Ob zuerst das Auto oder zuerst das Haus da war...? |
Zurueck im Hostel treffe ich Wilma und Kryz, die ziemlich geschafft und hungrig von ihrem Tagesausflug ans nahegelegene Cape Kidnappers zurueckgekehrt sind. Ich lasse mich nicht lange bitten und begleite die beiden zum tuerkischen Takeaway, in dem wir einen doeneraehnlichen Wrap essen und Apfeltee trinken. Schade, dass die beiden morgen schon weiterfahren. Dennoch finde ich die Vorstellung, zurueck in Europa unsere grenzenfreie Reisemoeglichkeiten wahrzunehmen sehr verlockend und kann mir gut vorstellen, mal eben (ohne einen Pass oder ein Visum zu benoetigen) nach (good old) Zealand oder Krakau rueberzuhoppen.
Multikulti: Pole und Deutsche beim Tuerken in Neuseeland |
Am naechsten Tag fahre ich gemeinsam mit meiner Zimmergenossin Kimberly (Ohio, US) zum Cape Kidnappers. Die Erzaehlungen von Wilma und Kryz haben mich neugierig gemacht. Die Halbinsel ist gerade mal 20 Autominuten von Napier entfernt, allerdings nur zu Fuss am Strand entlang oder mit einem Allradfahrzeug erkundbar. Drei Stunden vor Ebbe koennen wir fruehestens loslaufen. Die ersten Meter sind recht muehsam, da wir uns ueber loses Geroell und immer den Wellen ausweichend vorwaerts kaempfen muessen.
Da unten, ganz klein, da bin ich! |
Ich merke, wie sehr ich es geniesse, eine Wanderung am Strand entlang zu machen - das ist eine voellig andere Szenerie als auf den ueblichen Tracks durch den Busch. Auf der einen Seite das offene Meer, auf der anderen Seite ueberdimensional hohe Felswaende, dazwischen die Brandung und verschiedene Hindernisse wie Steine, Baumstaemme oder ein gestrandeter Wal. Aehhhhm, Moment mal. Tatsaechlich liegt dort auf dem Sand ein drei Meter langer verwesender Wal. Der Anblick des schwarzzungigen Seeungeheuers ist widerlich und faszinierend zugleich. Ich u,runde in gebuehrendem Abstand das aus Wunden naessende, von Fliegen befallene Tier. Vor ein paar Tagen mag der scharzglaenzende Wal eine morbide Schoienheit besessen haben, nach einiger Zeit in der Sonne und den Aasfressern ausgesetzt vielmehr eine fesselnde Abartigkeit. Kimberly ruempft angewidert die Nase und wirft mir einen auffordernden Blick zu. Okay, okay, ich beende meine Studien an dem Kadaver und laufe weiter.
Vergaenglichkeit |
Der Weg an der Kueste entlang faengt gerade an, sich zu ziehen, als einige flache Felsen ueberwunden werden muessen und die Sache interessanter gestalten. Wir muessen kettern. Nach drei Stunden erreichen wir das Ende der Halbinsel, an dem eine grosse Gruppe von Toepeln nistet. Puh, der Geruch der "gannets" ist nicht gerade angenehm. Und ich dachte, meine Nase sei nicht so empfindlich, aber dieser Gestank ist fuer mich schwieriger auszuhalten als alle Schwefelseen von Rotorua zusammen.
Weil ich die "Trefferquote" der Voegel nicht in die Hoehe treiben will und mich die nervigen Schmeissfliegen zur Weissglut treiben, machen wir uns bald auf den Rueckweg. Viel Zeit haben wir sowieso nicht mehr, bevor die Flut wieder da ist. Ich bin schon ziemlich muede und auch meine Beine protestieren lautstark, als ich sie wieder in Bewegung setze. Manchmal darf man jedoch einfach Glueck haben. Waehrend wir schweigend vorwaertsstapfen, werden wir von zwei Quads ueberholt. Das dritte haelt an. Adam, der Retter auf vier Reifen, bietet uns an, uns mit zurueck zu nehmen. Dann zaubert er sogar noch zwei Bier hervor und gibt Gas. Prima. Eine sehr bequeme und schnelle Variante, nach Hause zu kommen.
Vorsicht, Flut ist im Anmarsch! |
After-Walk-Bier |
Your blog is wonderful and entertaining! I can't wait to read about your travels in South Island!
AntwortenLöschenThanks, Kimberly - I reckon it was you ;-)
AntwortenLöschenInteressant, dein Bericht über Napier mit Krys und Wilma!
AntwortenLöschenUnd ich habe mich für euch gefreut, das der 3. Quad angehalten und euch mitgenommen hat!
Wie schön, das du immer wieder hilfsbereite Menschen triffst!